Der Holzfäller

14.07.1888

Vor drei Wochen brach jeglicher Kontakt zum Dorf Grünwick ab. Eine Militärexpedition scheiterte. Eine vom kaiserlichen Hof einberufene Kommission begann anschließend mit der Befragung von Zeugen und anderen relevanten Personen. Dies sind unvollständige Ausschnitte aus diesen Befragungen, zusammengetragen aus den Beständen mehrerer Archive […]

Viktor Schleier (56), Kaufmann

Ich will zu Beginn anmerken, dass ich seit 30 Jahren nicht mehr in Grünwick lebe und nur sporadisch entfernte Verwandte dort besucht habe. Ich war eigentlich immer gerne da. Ein guter Ausgleich zu der Hektik in München. Es leben wohl nicht mehr als 200 Menschen im Dorf und der nahen Umgebung. Liegt tief im Wald und es führt eigentlich nur ein richtiger Pfad dorthin, der im Winter häufig unpassierbar ist. Die meisten Einwohner sind Selbstversorger und nach außen wird eigentlich nur Holz, Wildfleisch und Felle verkauft. Die Mehrzahl der Menschen dort weiß nicht was eine Dampfmaschine genau ist und halten Elektrizität für Magie. Einfaches Volk, aber dafür auch herrlich unkompliziert und wenn man sich etwas zur Natur zurückbesinnen will, ist Grünwick der ideale Ort. Was eine Ursache für den Kontaktabbruch sein könnte? Schwierig. Ich glaube ehrlich gesagt an keine Naturkatastrophe. Es gibt dort weder Flüsse, die überlaufen, noch Hänge, die abrutschen könnten. Einen Waldbrand hätte man wohl vom nächsten Nachbardorf sehen können. Mir fällt nur eine Sache ein. Ich kann nicht sagen, ob es wirklich etwas mit dem Kontaktabbruch zu tun hat, doch ich habe bei meinen Besuchen einige Ungereimtheiten im Dorf mitbekommen. Holzhändler dieser Region können sicher bestätigen, dass Grünwick in den letzten Jahren seine Ausfuhr fast verdreifacht hat. Und nicht nur das! Das Holz besaß eine wesentlich bessere Qualität als sonst. Es ist nun nicht so, dass es plötzlich eine neue Sägemühle oder einen neuen Schwung neuer Arbeiter gab. Nein. Soweit ich es mitbekam, war die Ursache dafür ein einzelner Holzfäller. Ein Zugezogener nach Grünwick. Ich habe den jungen Mann nie kennengelernt, da er abseits des Dorfes in einer Waldhütte lebte. Doch er arbeitete, wie ich hörte, unermüdlich wie ein Ochse und verstand sich hervorragend mit den Kindern. Hektor war sein Name. Die Leute hielten sich von ihm fern und es gab mehrere unschöne Gerüchte über ihn. Zuerst glaubte ich, dass man ihn nicht mochte, weil er ein Außenseiter war. Doch irgendwann begriff ich, dass man ihn regelrecht fürchtete. Da war mehr als nur der natürliche Misstrauen einer kleinen Dorfgemeinschaft. Leider habe ich nie genau nachgefragt, da ich an meinen freien Tagen in Grünwick besseres zu tun hatte, als einem Holzfäller hinterher zu schnüffeln. Mehr kann ich also leider für den Moment nicht sagen. Aber ich kenne jemanden, der noch bis vor kurzem in Grünwick lebte. Diese Person kann eventuell mehr erzählen. Ich versuche mal Kontakt herzustellen […] 

Roland Bauer (43), Holzhändler 

Schon mein Vater hat Holz aus Grünwick gekauft, lange bevor die industrielle Sägemühle in Kollraab gebaut wurde. Es war ordentliches Holz und es gab nie Gründe, um sich zu beschweren. Doch die Stämme, die in den letzten Jahren zu mir kamen, waren anders. Es gibt eigentlich immer kleinere Anzeichen von Holzkäfern, Vögeln oder anderen Ungeziefer. Manchmal müssen deswegen sogar einzelne Stämme aussortiert werden. Doch seitdem dieser Hektor dort Bäume fällt, so finde ich gar keine Schäden mehr am Holz. Keine Beschädigungen oder sogar Verformungen. Die Stämme sind beinahe perfekt rund, fester und weniger brüchiger. Sie werden mir als Kiefern verkauft, doch ich zweifelte immer wieder an, ob dies wirklich stimmte. Es wirkte nicht wie Kiefernholz. Wissen Sie, durch meine Hände ist schon allerhand gegangen. Ich kenne die Ringe von jeder europäischen Baumart. Ich verkaufte sogar Tropenhölzer und asiatischen Bambus. Ich kenne mich aus. Doch ich konnte teilweise nicht mehr sagen, was da genau aus Grünwick zu mir kam. Ich verkaufte es als Kiefer weiter, weil ich selbst nicht wusste, als was ich es sonst ausschildern soll. Einmal habe ich sogar einen meiner Assistenten in das Dorf geschickt, um persönlich anwesend zu, wenn der Hektor eine Kiefer fällte. Das Holz hatte dieselbe merkwürdige Qualität wie sonst, also versuchte der Kerl mir nicht irgendeine andere Baumart als Kiefer anzudrehen. Er hätte ehrlich auch keinen Grund dazu gehabt. Auch stimmte etwas mit dem Wachstum der Bäume nicht. Bei der schieren Menge, die Hektor jedes Jahr fällte, sollte der Wald um Grünwick eigentlich langsam freigerodet werden. Doch stattdessen wurde der Wald dichter! Ich schwöre beim Herrn und beim Namen des Kaisers, dass mein Assistent bei jedem Besuch im Dorf mehr Jungbäume beim Wegesrand sah […] 

Joseph Gschwend (51), ehemaliger Einwohner von Grünwick

Ja, wie bereits aus dem Briefverkehr entnommen, komme ich aus Grünwick und bin vor drei Jahren ausgezogen. Ich bin auch ein alter Freund von Viktor Schleier, der mich kürzlich kontaktiert hat. Ich habe ehrlich gesagt beinahe das Dorf gänzlich aus meinem Gedächtnis verbannt, zumal mich sowieso keine familiären Bande mehr dahin verbinden. Deswegen kann ich wenig zu aktuellen Geschehnissen sagen. Da Sie aber schon von dem Holzfäller Hektor gehört haben, so kann ich von seiner Ankunft im Dorf berichten. Ob er etwas mit dem Kontaktabbruch zu tun hat, weiß ich nicht. Zumindest fand man ihn als kleinen Jungen nackt im Wald. Es war ein besonders kalter Herbsttag, doch er zeigte keine Anzeichen von Unterkühlung. Deswegen nahmen wir an, dass er erst kürzlich ausgesetzt wurde. Sein einziger Besitz war eine Kette um seinen Hals, an der kleine Tierknochen und Holzstücke befestigt waren. In diesen hatte irgendwer Zeichen geschnitzt, die keiner von uns entziffern konnte. Manche dachten es wäre russisch und andere arabisch. Die alte Müllerwitwe hielt es dagegen für dämonische Symbole. Der junge Hektor konnte anscheinend unsere Sprache nicht verstehen und redete selbst kein Wort. Er blieb bis zu meinem Verlassen des Dorfes stumm. 

Der Junge lebte zuerst bei einer älteren und blinden Frau, die jede Hilfe im Haushalt brauchte. Er war ihr zu Diensten, bis sie vier Jahre später verstarb. In dieser Zeit lernte er Deutsch zu verstehen und zog aus ihrem Haus aus, um im Wald als Holzfäller zu arbeiten. Ich muss anmerken, dass er trotz seines hohen Körperbaus keine dreizehn Jahre alt sein konnte zu dem Zeitpunkt. Trotzdem zeigte er sofort großen Eifer in seinem gewählten Beruf und schien ein Naturtalent. Ohne einen Lehrmeister schnitt und fällte er die Bäume nicht nur präzise, sondern auch in hoher Zahl. Auf seinen Schultern trug er dann die Stämme zum Dorf. Seine Kraft war wahrlich außergewöhnlich. Nach einem Jahr begann er sich ein eigenes Haus im Wald zu bauen und nachdem der alte Peter die Axt niederlegte, war er der einzig verbliebene Holzfäller in Grünwick.

Sein Verhältnis zu den restlichen Bewohnern war immer angespannt. Niemand war jemals vorgekommen und hatte sich als seine Familie vorgestellt. Er selbst schien kein Interesse daran zu haben zu wissen, woher er stammte. Stattdessen ging er jeden Morgen bei Sonnenaufgang in den Wald und man hörte bis zum Abend das Schlagen seiner Axt. Trotz seiner offensichtlichen Tüchtigkeit blieben die Menschen weiterhin misstrauisch ihm gegenüber. Die Umstände seiner rätselhaften Ankunft blieben allen weiterhin im Gedächtnis. Weiterhin machte er nie Anstalten sich im Rest der Gemeinschaft zu integrieren und verblieb in seiner Waldhütte. Die kleine, lokale Kneipe hat er, soweit ich weiß, niemals betreten.

Gleichzeitig war seine ständige Arbeit auch eine wichtige Geldquelle für Grünwick. Er hortete nichts und kaufte immer lokal, sodass sein wachsendes Vermögen nicht irgendwie in Nachbardörfern versickerte.

Bald war er sogar beinahe schon die einzige Geldquelle im Dorf. Die Kräutersammler und Jäger gingen immer seltener in den Wald und wenn, dann fanden sie weniger Beute. Nach und nach legten sie alle die Arbeit nieder.

Vor drei Jahren kam dann Hermann Ilckgrund, der letzte Jäger im Dorf, mit einem bleichen Gesicht zu mir und meinte, wir müssten beide sofort Grünwick verlassen. Er nannte keine Gründe. Er betonte nur immer wieder, dass wir gehen müssten. Dies verwirrte mich zwar, doch er war ein guter Freund und ich vertraute ihm. Außerdem hatte ich bereits seit einiger Zeit Pläne gehabt in die Stadt zu ziehen, um neu zu heiraten. Also bepackten wir unseren Karren, mieteten ein Pferd und verließen das Dorf. Wenn Sie wollen, so kann ich für Sie die Adresse von Hermann heraussuchen […] 

Prof. Dr. Jürgen Kowalczyk (64), Symbolfoscher

Es ist wahr, dass man mir einige Stücke von der Halskette des Holzfällers Hektor gab, unter der Bedingung, dass ich sie ihm zurückgab. Zumindest gab man es mir mit Handzeichen so zu verstehen, da er ja nicht spricht. Er schien eine emotionale Verbindung zu dem Schmuckstück zu besitzen und deswegen war die Dorfgemeinschaft anscheinend überrascht, als er sich auf Anfrage mit einem Nicken bereit erklärte die Symbole untersuchen zu lassen.

Leider kann ich nicht viel berichten. Selbst nachdem ich mehrere Kollegen zu anderen Bereichen wie die Ägyptologie, der sumerischen Schrift und diversen europäischen Runen aufgesucht habe, konnten sie die Symbole der Kette keiner bekannten Kultur einordnen. Wenn ich raten müsste, dann sind es Schutzzeichen einer modernen, neoheidnischen Sekte. Doch gleichzeitig wirkten die Kettenstücke sehr alt.

Es ist wirklich bedauerlich, dass der Junge nicht berichten konnte oder wollte, von wo er damals hergekommen war […]

Feldwebel Henrich von Klucke (23), 36. Infanterieregiment

Da ich mir am Vorabend durch einen Unfall bei der Kutsche den Arm gebrochen hatte, war ich der einzige Soldat, der nicht an der Expedition nach Grünwick teilnahm und somit wohl auch der Einzige, der noch sprechen kann. Zwei Kompanien, insgesamt 90 Mann, zogen die Straße hinauf zum Dorf. Die meisten gingen davon aus, dass sich eine Katastrophe ereignet hatte und dachten wohl daran, Rettungseinsätze durchzuführen. Doch was immer sie dort gesehen haben, es war sicher kein Erdrutsch oder Feuer. Zwei Tage hörten ich nichts von meinen Kameraden, obwohl stündlich ein Bote einreiten sollte. Wie Sie bereits wissen, ist das Dorf zwar recht abgelegen im Wald, aber gleichzeitig auch nicht vollständig vom Rest der Welt abgeschnitten. Die schmale Straße war für die Jahreszeit gut gepflegt und sollte kein Hindernis für einen Reiter darstellen.

Gerade als wir vom Schlimmsten ausgingen und nach Verstärkungen fragten, kamen die Kameraden dann zurück. Bleich wie Kreide, aber augenscheinlich alle gesund und vollzählig. Ihre Uniformen saßen richtig und sie hatten auch kein Material verloren.

Dennoch lag in ihrem Blick etwas, was ich selbst bei ausgezehrten Veteranen des Krieges gegen Frankreich nicht gesehen habe.

Keiner von ihnen redete ein Wort. Auch unter intensiver Befragung kam kein Laut über ihre Lippen. Deswegen gibt es keine vollständigen Berichte über die Operation bei Grünwick.

Nach und nach wurden alle Männer der Einheit für nicht mehr diensttauglich erklärt, da sie kaum mehr auf Befehle reagierten. Die meisten müssen inzwischen von ihren Familien gepflegt werden oder stehen unter Obhut von Ärzten, die zwar ihre körperliche Unversehrtheit beteuern, aber anscheinend ist ihr Geist zerrüttet. 

Ich will mich hier zwar nicht als Feigling präsentieren, aber ich kann nicht umhin dankbar für den Unfall an jenem Abend zu sein. Ich kann frohen Mutes gegen Franzosen oder Russen kämpfen, doch ich fürchte in Grünwick ist momentan etwas wogegen mein Bajonett nichts auszurichten vermag. Ich rate daher vorerst von weiteren Expeditionen ab […]

Sophia Mauerlauf (9), Schulkind

Ich war einmal in Grünwick um Andreas zu besuchen. Er war ganz freudig als wir uns sahen und lachte die ganze Zeit. Ich mochte nicht wie er lachte. War gruselig. Er zog mich in den Wald, um zu spielen. Dort trafen wir Hektor. Er war ein großer Mann, der die ganze Zeit Holz hackte. Seine Axt machte wisch wusch, ohne langsamer zu werden. Fast alle Dorfkinder waren bei ihm auf einer Wiese. Obwohl es Sommer war, waren überall Frühlingsblumen. Es war sehr hübsch. Wir spielten sehr lange Fangen, dann Verstecken und dann mit dem Ball! Und die ganze Zeit hackte Hektor Holz. Ein Baum nach dem anderen fiel um. Wir spielten den ganzen Tag lang! Irgendwann war ich sehr müde und fragte Andreas, ob wir zurückgehen konnten. Lachend nahm er mich an der Hand und führte mich zum Dorf. Der Weg zurück war länger als der hin zur Wiese, obwohl es der gleiche Waldpfad war! Als wir Grünwick erreichten, aß meine Mutter noch immer Kuchen mit Tante Getrud. Sie sah mich komisch an und frage, wieso ich so früh wieder zurück sei. Sie sagten mir ich war nur eine halbe Stunde weg. Sie zeigten mir auch ihre Uhren, doch die mussten alle kaputt sein! Denn ich war sicher den ganzen Tag lang mit Andreas beim Holzfäller Hektor spielen! 

Hermann Ilckgrund (49), ehemaliger Jägermeister 

Ich weiß nicht aus welchem finsteren Loch dieser Hektor gekrochen kam, doch seitdem er zur Holzfälleraxt griff, brachte er dem Dorf immer mehr Unheil. Ich bemerkte es mehr und mehr, da ich ja ständig im Wald unterwegs war! Ich erlegte immer weniger Tiere! Nein, es waren nicht an sich weniger Rehe oder Wildschweine im Gehölz. Ganz im Gegenteil! Ich entdeckte Spuren von riesigen Rotten und Herden und sah auch genug Wild. Nur gingen mehr Schüsse häufiger als sonst daneben und auch in meine Fallen trat nie etwas. Nein, mein Augenlicht wurde nicht schlechter! Ich war deswegen sogar bei einem Optiker in München! Auch war der Wald nicht mehr der Wald, den ich kannte. Wie ich das meine? Es ist schwierig zu erklären. Sehr schwierig. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es die richtigen Wörter dafür gibt. Je länger Hektor im Wald arbeitete, desto mehr veränderte sich das Gehölz.

Da waren eines Tages plötzlich Pfade, die ich nie zuvor gesehen habe, obwohl ich seit 20 Jahren durch die Wälder um Grünwick streife. Bäume, die ich nicht erkannte. Trockener Boden, wo Teiche sein sollten. Ich brauchte länger und länger, um meine Unterstände oder Jagdstühle zu erreichen. Auch glaubte ich, dass die Kiefern immer höher und höher in den Himmel ragten. Gleichzeitig kann ich nicht sagen, dass die Umgebung mir fremd vorkam. Da war noch immer etwas sehr Vertrautes in dem Wald, obwohl ich langsam, aber sicher, alle Orientierung verlor. In mir spürte ich immer noch, dass es der Ort war, den ich seit meiner Kindheit kenne. Nur schien dieser Ort mich nun abzustoßen. Wie ich sagte, es ist schwer zu erklären.

Irgendwann wurde das Unterholz immer dichter und die Bäume schienen näher aneinander zu rücken. Schwerer und schwerer kam ich in den Wald. Ich war dabei nicht mal der einzige. Andere Dorfbewohner bemerkten das gleiche. Der Einzige, der nicht diese Probleme hatte, war Hektor und die Horde an Kindern, die ihm überallhin folgte. Ich hörte eigentlich immer das Schlagen seiner gottlosen Axt. Einmal konfrontierte ich ihn auf der Jagd und fragte ihn, wie der Wald so wuchern konnte, wenn er doch so viel Holz schlug. Er starrte mich nur blank an und machte sich dann weiter an die Arbeit.

Dies war das letzte Mal, dass ich in dem Wald war. Ich fand auf dem Rückweg den Weg zum Dorf nicht mehr. Obwohl ich den Pfad zu kennen glaubte führte er nicht mehr hinaus aus dem Gehölz. Ich kann nicht wirklich das Entsetzen beschreiben, während ich stundenlang umherirrte. Es ist, als ob plötzlich die Haustür im eignen Heim fehlt und man nicht mehr hinauskann.

Irgendwann hackte ich mich dann durchs Unterholz und landete Gott sei Dank im Zwiebelacker des Schmiedes. Der Kerl aß da gerade zu Mittag und fragte mich verwundert, wieso ich so früh wieder da bin. Was für mich fast ein ganzer Tag war, war für ihn nur eine halbe Stunde gewesen. Laut aller Uhren im Dorf war es nicht mal Mittagszeit!

Da beschloss ich das Dorf zu verlassen… für immer. Ich versuchte andere zu überzeugen, aber die meisten Bewohner waren alteingesessene Genossen, die sich ein Leben außerhalb von Grünwick nicht vorstellen konnten. Auch sie fürchteten natürlich Hektor und auch sie wussten von den Geschehnissen im Wald, doch durch Gebete oder schiere Dummheit hofften sie darauf, dass sich alles von alleine klären würde. Am Ende konnte ich nur meinen alten Freund, den Herrn Gschwend, überzeugen mit mir zu gehen. Ich überlegte kurz, ob ich Hektor ins Gesicht schießen sollte, bevor ich aufbrach. Doch ich fürchtete, was ich erblicken würde, wenn ich ihm die Haut von der Nase schoss. Er ist kein Mensch, oh nein, das ist er nicht […]

Bericht von der Aufklärungsmission des 5. Kavallerieregiment vom 14.08.1888.      

Wie befohlen wollten wir die Straße nach Grünwick auskundschaften, ohne in das eigentliche Dorf einzudringen. Sieben Kilometer vorm Dorf wurden wir aber gestoppt, da die Straße vollkommen überwachsen war. Junge Bäume blockierten den weiteren Weg und standen so dicht, dass sie regelrecht eine Mauer bildeten. Auch das Unterholz am Wegesrand wirkte unpassierbar, selbst für unsere Pferde. Wir fanden keine Spuren von den 200 Seelen des Dorfes. Einer meiner Männer glaubte allerdings das Schlagen einer Holzfälleraxt aus der Ferne zu hören […]

Anhand dieses finalen Berichts und der Zeugenaussagen beschloss die Kommission Grünwick und das umliegende Gebiet für unbestimmte Zeit zur Sperrzone zu erklären.

Am 16.April 1916, beinahe dreißig Jahre später, stieß eine Gruppe Infanteristen, die in der Region eine Übung durchführte, spontan in das Gebiet vor. Die Straße war dabei zwar mit Unkraut bewachsen, aber passierbar. Doch es fanden sich davon ab keinerlei Anzeichen menschlicher Besiedlung. Laut einer Befragung schien es, als ob es dort niemals ein Dorf gegeben hätte. Doch wegen der Kriegssituation wurde diese Meldung kaum beachtet und auch keine weitere Untersuchung durchgeführt. Bis heute ist der Ort nicht mehr als ein Flecken Wildnis.             

Der Holzfäller

Das Lied der sieben Kastanien – Kapitel 5: Abend

Die Kuppel änderte automatisch die Farbe des einkommenden Lichts um einen herrlichen Sonnenuntergang zu simulieren und dunkelte dann allmählich ab, als die Nacht kam. Da dadurch auch die Durchsichtigkeit der äußeren Hülle verstärkt wurde, konnten Nadia und Sonja auf der Rückfahrt vom Zug aus in aller Pracht die orangenen Wolkenbänder des Jupiters und den roten Fleck betrachten.

Das Licht aus den Fenstern der sieben Kastanien hieß sie einladend willkommen, als sie den dunklen Waldweg hinauf zu der Herberge wanderten. Kevin war bereits zu sich nach Hause gefahren, um Zeit mit seiner Verlobten zu verbringen. Die beiden Mädchen mussten nur noch kleinere Putz- und Aufräumarbeiten tätigen, bevor sie sich zu Frau Zwetkow an den Tisch des Gemeinschaftsraum für die Bediensteten setzten, wo bereits ein Mahl aus selbstgemachten Semmelknödeln, Pilzen und Schnitzen auf sie wartete.

Nachdem sie gute Nacht gesagt hatten, gingen sie hoch in das Dachzimmer, dass sie sich teilten. Auch wenn ihr Verdienst theoretisch für eine kleine Stube in Arbali reichte, so sparte Sonja für ihre Auswanderung zur Erde und Nadia liebte einfach die Sieben Kastanien so sehr, dass sie gerne hier wohnte.

Über ihren Betten war ein großes rundes Fenster, durch dass sie am Gasriesen vorbei die glitzernde Milchstraße betrachten konnten. Manchmal flatterte auch die Gestalt einer Fledermaus vorbei und vom Halo aus stiegen immer noch die Lichter von Sternenschiffen hinab.

Die beiden Mädchen saßen mit ihren Rücken auf ihren Matratzen und betrachteten die Sterne, da sie noch nicht in der Stimmung waren einzuschlafen. Ganz fein hörten sie das Schnarchen von Frau Zwetkow aus dem Nebenraum.

»Es war ein wunderbarer Tag«, meinte Nadia leise.

»Für dich ist jeder Tag wunderbar, Nadia. Ich werde wirklich nie verstehen, was dich so sehr an diesem Brocken fasziniert und wie du die Erde verlassen konntest. Was findest du so toll an Ganymed?«

»Alles, Sonja. Die Luft, die Menschen, die Dörfer, die Pflanze, die Tiere…«

»Stopp!«, schnappte ihre Freundin und funkelte sie wütend von ihrem Bett aus an. »Du brauchst nicht alles aufzuzählen. War mein Fehler zu fragen. Ich müsste es eigentlich inzwischen besser wissen. So wie ich dich kenne würdest du erst fertig werden, wenn die verdammte Sonne implodiert.«

»Tschuldigung.«

»Brauchst du nicht«, seufzte Sonja und ließ sich wieder nach hinten fallen. »Du bist eine Nervensäge mit deinem ständigen Geplapper wie schön und toll doch alles hier ist. Ich kann zwar nicht nachvollziehen, wie du zu dieser Meinung gekommen bist, aber wenn du glücklich hier auf Ganymed wirst, dann habe ich nichts dagegen. Doch ich, ich kann nicht hier bleiben…« Sie streckte ihre Hand hinauf zum Fenster und sie schien einige der anderen Monde greifen zu wollen, auf denen die eigenen Kuppeln wie leuchtende Funken verteilt waren. »Ich will mehr als diesen Brocken in meinem Leben. Ich will sehen, wie weit wir Menschen gekommen sind. Ich will in den Meeren des Mars schwimmen. Ich will Konzerte im großen Opernhaus auf Venus sehen. Ich will die weißen Städte der Erde durchwandern. Ich brauch nicht berühmt zu werden, aber einfach nur da leben zu können wo wir alle herkommen und wo das Schicksal der Menschen im ganzen Sonnensystem entschieden wird. Allein dadurch würde ich mich besonders fühlen. Ich könnte stolz sein.«

»Stolz worauf?«, fragte Nadia.

»Ein Mensch zu sein. Mit eigenen Augen sehen zu können, was unserer Rasse alles geleistet hat. Die Monumente der alten Zeit. Die Kunstwerke im originalen Peking, Kairo oder New York. Die goldene Flotte in all ihrer Pracht am Himmel. Die Genesis 7 ist nur ein so kleiner Teil davon. Ich habe noch nicht einmal einen Titan sehen können!«

Während Nadia so zuhörte, musste sie an die ältere Frau denken, die sie vorhin im Zug getroffen hatte. Sie überlegte von Sonja von dieser Begegnung zu erzählen, entschied sich aber anders. Wenn ihre Freundin Ganymed verlassen wollte, so war es ihre Entscheidung. Auch wenn sie traurig sein würde, wenn es hieß Abschied zu nehmen, so wollte nichts tun um sie umzustimmen.

»Willst du denn auch zum äußersten Ring?«, fragte sie stattdessen »Nach Pluto, Eris oder Makemake? Ich meine weiter kam die Menschheit bisher wirklich nicht.«

Die Laken raschelten etwas, als sich Sonjas Rücken versteifte. Sie überlegte einige Momente, in denen Nadia geduldig wartete. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, Nadia. Du hast ja schon recht, dass es beeindruckend ist wie weit entfernte Kolonien wir inzwischen haben. Aber ich glaube nicht, dass Pluto oder Eris schöne Plätze sind, die ich sehen möchte. Und wenn ich mir so die Geschichten anhöre… von den verbotenen Experimenten, die sie angeblich machen oder wie sie es wagen Mutter Erde, unserer aller Heimat, zu trotzen, so kriege ich ein schlechtes Gefühl manchmal. Ich fange an zu denken, dass es vielleicht keine so gute Idee war, so tief in die Dunkelheit vorzudringen. Vielleicht wäre es besser geblieben, wenn wir alle näher an der Sonne geblieben wären.«

»Kann verstehen, was du sagst«, gluckste Nadia verspielt. »Ich liebe die Sonne. So warm, so hell. Ganymed ist zwar weiter weg von ihr als die Erde, aber dennoch segnet sie uns mit so viel Licht jeden Tag.«

»Idiot.«

»Ich weiß.« Es war nicht so, dass sie nicht verstand, was Sonja eben gesagt hatte. Sie wollte nur nicht darüber reden. Die fernen Kolonien mit ihrer rebellischen Haltung, die Krisen zwischen der Erde und der Allianz, angeführt von Eris. Diese Dinge waren fern und ohne Relevant für sie und Ganymed. Sie hätte vielleicht eben nicht fragen sollen. Sie war wirklich ein dummes Mädchen manchmal.

»Wirst du heute Abend noch Anna schreiben?«, fragte Sonja.

»Nein, aber morgen. Ich will ihr unbedingt von der Start der Genesis 7 erzählen!«

»Mach das«, lächelte ihre Freundin. »Ich freue mich bereits darauf sie kennenzulernen. Wollen wir nun schlafen?«

»Gute Idee«, stimmte Nadia zu und drehte an einem Regler neben ihrem Bett, sodass das Fenster etwas dunkler wurde und das Licht der Sterne nicht mehr zu ihnen durchkam. Sie kroch dann unter die Decke.

»Gute Nacht, Nadia.«

»Gute Nacht, Sonja.«

Der lange Zeit Tag kam zu einem Ende. Draußen gingen die Tiere der Nacht ihrem Lebe nach, während die Menschen in das prächtige, grenzenlose Reich der Träume eintraten.

Und in der fernsten Ferne, im Schatten des Meeresgottes am Rande der Finsternis, begannen die Feuer sich zu entzünden. Während sie in Frieden schliefen, so nährten sich Stahl und Schrecken.

Stuart A. Smith

Prolog

Kapitel 4

Kapitel 6

Das Lied der sieben Kastanien – Kapitel 5: Abend

Am Fuße des Berges

»Ah«, murmelte der alte Einsiedler, der die letzten Stunden lang den Pfad zu seiner Hütte betrachtet hatte. »Wieder ein Neuer.«

Es war ein junger Bursche, wie es so viele heute gab. Gekleidet in zerrissenen Ambitionen, halb Blind vor Sorgen und mit Füßen, die nicht wussten wohin sie ihren Besitzer bringen sollten.

»Ich Grüße euch, Weiser«, begann der Neuankömmling, der sich anstrengen musste nicht vom starken Wind von den Beinen gefegt zu werden. »Ist dies der Weg zum Berg?«

»Ja, dass ist er. Gehe an meiner Hütte vorbei, dann wirst du bald zur ersten Klippe kommen.«

Der Einsiedler deutete nach hinten, wo sich ein monolithischer Berg in den ewig von Wolken verhangenen Himmel erstreckte. Nur kurzzeitig kamen Strahlen der vergessenen Sonne hindurch. Der Gigant aus Stein und zerbrochenen Träumen wirkte kaum besteigbar. Die Knochen vieler an seinem Fuße bezeugten dies.

»Danke, Weiser. Ich werde nun meine Reise fortsetzten.«

»Willst du denn nicht kurz hierbleiben? Ich habe guten Tee hier, Bursche.«

Ein Kopfschütteln.

»Du willst also wirklich versuchen den Berg zu besteigen, Bursche?«

Diesmal nickte der junge Wanderer.

»Du zitterst vor Angst, Bursche. Das sehe ich. Du fürchtest dich diesen Berg zu besteigen.«

»Ich habe tatsächlich schreckliche Furcht, Weiser. Am liebsten würde ich heimkehren, aber ich weiß, dass ich diesen Berg besteigen muss. Es geht nicht anders.«

»Was ist, wenn er keinen Gipfel hat? Was ist, wenn die Sonne vor dir flieht? Was ist, wenn du dir die Finger weg kratzt, während du immer wieder versuchst zu hinaufzuklettern, nur um immer wieder hinabzufallen.«

Der junge Recke zuckte bei jedem Wort zusammen, schien kurz davor zu Staub zu zerfallen. Ein Bild großer Schwäche. Tränen lagen in seinen Augen. »Selbst wenn all dies Wahrheit ist, so werde ich es versuchen, Weiser.«

»Es gibt andere Berge, Bursche.«

»Aber es muss dieser sein. Er liegt in dem Weg, den beschlossen habe zu gehen.«

»Bursche, die Chance Glück hier zu finden ist sehr gering. Scheitern dagegen wird dich bei jedem Schritt begleiten.«

Der Wind riss nun heftig an dem Jungen, doch er blieb weiter stehen. »Dennoch werde ich gehen, Weiser.«

»Dann lass dich nicht aufhalten.«

Und so zog der Recke aus um den finsteren Berg zu erklimmen, in der schwachen, verzweifelten Hoffnung den Gipfel zu erreichen. Der Einsiedler schnaubte nur und zog sich in seine Hütte zurück. Es war an der Zeit für ein erneutes Gebet.

Stuart A. Smith

Am Fuße des Berges

Unter dem Sand

Anmerkung: Mal wieder eine neue Kurzgeschichte von mir! Da ich ein wenig Lovecraft gerade lese, so schrieb ich dies hier von ihm inspiriert. Besonders die Kurzgeeschichte Der Tempel war die größte Vorlage hierfür.

(Manuskript, das 1936 von einer italienischen Patrouille in der Wüste 100 km südlich von Bengasi gefunden wurde)

Mein Name ist Mattia Milani, Soldat der libyschen Streitkräfte unter Pietro Badogli. Das Datum ist der 8. Juli 1929. Ich schreibe wohl nun die letzten Worte meines Lebens, an einem Ort der nicht für Menschen gedacht ist. Ich weiß nicht, ob diese Botschaft jemals gefunden wird. Ich hoffe nicht. Denn falls jemand dies hier liest, so verlasst diesen Ort und kehrt nie wieder. Ich bin verloren.

Ich will nun beschreiben, wie das Schicksal mich zu diesem verfluchten Ende verdammt hat. Es begann vor drei Tagen. Trotz des vereinbarten Waffenstillstandes wurde meine Einheit ehrlos von einer dreckigen Bande der Senussi in einen Hinterhalt gelockt. Drei Kameraden wurden getötet, sieben verwundet. Letztere mussten allesamt bei der weiteren Flucht zurückgelassen werden. Wir wurden in die Wüste getrieben, wo uns bereits Horden von Beduinen, die keine Loyalität zu niemanden kennen, erwarteten, die uns Stück für Stück im Dunklen der Nächte auflauerten und die Kehlen durchschnitten. Gestern fiel ihnen Leutnant Romano zum Opfer, sodass nur noch ich übrig blieb.

Am Morgen haben die Wilden dann versucht mich ebenfalls zu töten und auszuplündern. Doch sie unterschätzen meine Fähigkeiten mit dem Karabiner und ich konnte zwei erschießen und den Rest verjagen. Ab da zog ich durch die Wüste, immer ihre Schatten zwischen den Dünen sehend. Sie warteten darauf, dass ich vor Erschöpfung zusammenbrach oder bis die Nacht kam, wo ich hilflos sein würde. Die Hitze war unerträglich, die Dünen würde höher und höher. Meine Wasserreserven gingen zuneige. In meinem Delirium aus Erschöpfung und Durst stellte ich mir rachelüstern vor, wie ich mehr Dörfer von diesem dreckigen Moslems niederbrannte, mehr ihrer Kinder schlachtete, ihre Männer in Fetzen von Schweinefleisch deckte bevor ich sie erschoss und ihnen Seiten des Korans in den Schlund stopfte bis sie erstickten. Für die Beduinen stellte ich mir besonders grausame Todesarten vor. Keiner dieser Bastarde verdient einen schönen Tod.

Als der Abend dann dämmerte und ich mich bereitmachte für meinen letzten Kampf gegen die Barbaren, so entdeckte ich vor mir eine monolithische Silhouette vor der röter werdenden Scheibe der Sonne. Ich konnte noch nicht ausmachen was es war, doch es erschien mir ungewöhnlich genug um darauf zuzugehen, nicht wissend ob es Rettung oder Verdammnis versprach.

Etwas später, als die ersten Sterne am Himmel funkelten, so hatte ich es als das Wrack eines italienisches Flugzeuges erkannt, das schräg im Sand steckte. Beim Erreichen stellte ich schwere Schäden an Motor und Flügeln fest und der Pilot saß tot im Inneren, die Haut fortgeschleift von Sandstürmen und das Fleisch vertrocknet. Eine unangenehme Absonderlichkeit an der Leiche waren die Hände, die nach wie vorm Gesicht lagen, mit einigen Fingern in den Augenhöhlen. So sehr ich auch versuchte mir eine andere, weniger schreckliche Erklärung zu überlegen, so musste ich schlussendlich anerkennen, dass der Arme sich bis zum Moment seines Ablebens die Augen ausgekratzt hatte. Beim Inspizieren des Cockpits entdeckte ich, dass seine Beine eingeklemmt waren, was es ihm unmöglich gemacht hatte zu entkommen. Gott weiß, wie lang er hier gesessen und auf den Tod gewartet hatte. Dazu gab es im Inneren ins Metall geritzte Zeichen. Die meisten waren in Sprachen die nicht kannte, doch es gab einige italienische Fetzen, wenn auch nicht mehr als einzelne Wörter oder sehr kurze Sätze, die keinen wirklichen Sinn machten. Es schienen flehentliche Gebete an Götter zu sein, die ich nicht kannte und Warnungen, in denen davon geredet wurde diesen Ort zu verlassen. Wie sehr hatte die Sonne wohl das Hirn dieses Mannes verbrannt, damit er so was zurückließ?

Interessanterweise fand ich noch Wasser bei der Leiche, was Verdunstung als Todesursache ausschloss. Als ich gierig trank, so fiel mir auf, dass die Nacht inzwischen angebrochen und die Beduinen fort waren. Ich konnte sie nirgendwo mehr sehen. Sie hatten die Verfolgung aufgegeben. Doch wieso?, habe ich mich gefragt. Ich war ein solch leichtes Opfer für sie. Es gab schlicht keinen Grund wieso sie von mir ablassen sollten.

Auch wenn mir diese Merkwürdigkeit ein wenig Kopfzerbrechen bereitete, so verspürte ich dennoch Freude über ihr Verschwinden. Ich entschloss im Schatten des Wracks zu schlafen und am Morgen nach Nordwesten aufzubrechen in der Hoffnung italienische Streitkräfte zu finden.

Bedauerlicherweise war mir keine lange oder erholsame Rast gegönnt. Nach einigen unruhigen und zusammenhangslosen Träumen von fernen Sternen und großer Dunkelheit erwachte ich schweißgebadet. Zuerst glaubte ich allerdings noch im Lande des Schlafes zu ruhen, denn die Wüste die ich erblickte war eine andere als diejenige beim Einschlafen.

Anstatt Dünen erstreckte sich vor mir eine endlose, flache Ebene die silbrig im Mond schimmerte wie ein See. Keine Berge waren zu sehen und die Sterne schienen nun zahlreicher als zuvor. Ich lag noch immer beim Wrack, doch daneben erhoben sich nun einige Felsen, die sich zum Eingang einer Höhle verengten, die tief hinab ins Erdreich führte.

Ich war verstört und ziele mit dem Karabiner in die neue Leere hinaus. Eine normale Wüste war schon eintönig und still, doch diese fremdartige Einöde vor mir war wesentlich schlimmer. Ich kann es nicht beschreiben, doch eine solche Einsamkeit und Verzweiflung packten mich wie niemals zuvor in meinem Leben. Ich hatte das Gefühl, dass ich niemals irgendwo ankommen würde, wenn ich mich jetzt vom Flugzeug entfernte.

Nach einigen vorsichtigen Schritten in diese und jene Richtung sah ich dann die Augen, die von allen Seiten näherkamen. Ein Rudel ungewöhnlich gewaltiger Schakale hatte die Absturzstelle umringt und geiferte in meine Richtung. Ich schoss zweimal in die Luft um sie zu verscheuchen, doch ohne Wirkung. Sie zuckten nicht einmal zusammen, sondern kamen nur näher, ihre Augen glühend wie Flammen aus der Hölle.

Ich hatte nicht mehr genug Munition um sie alle zu töten und ich wagte es nicht mit meinem Messer gegen die Scheusale zu kämpfen. Also zog ich mich zurück und obwohl mir der Schlund der Höhle nicht gefiel und ein unnatürlich kalter Windhauch aus ihm drang, so sah ich keine andere Option als einzutreten.

Tatsächlich folgten mir die Schakale nur bis zum Eingang und sahen mir hinterher, während ich den Abstieg über geschliffenen Fels begann. Es war fast so als würden sie Wache halten.

Nicht wissend, was zu tun war, beschloss ich immer weiter nach unten zu steigen, in der Hoffnung vielleicht einen zweiten Ausgang zu finden. Ich beleuchtete meinen Weg mit der Taschenlampe und mir fiel schnell auf, dass man Stufen in den Boden gemeißelt hatte, die den Weg etwas erleichterten. Auch erreichte ich bald Abschnitte wo die Wände geglättet und mit primitiven Schriftzeichen versehen waren.

Aus wissenschaftlicher Neugier habe ich mich früher mit den antiken Zivilisationen um das Mittelmeer herum beschäftigt und kann mit einigem Stolz sagen, dass ich einen durchaus beachtlichen Wissensschatz angesammelt habe. Dennoch war ich nicht in der Lage diese Zeichen irgendeinem mir bekannten Volk zuzuordnen. Hatte ich etwas bei meiner Recherche übersehen? Waren dies die Überreste einer so kleinen, kurzlebigen und unbedeutenden Kultur, dass sie schlicht von allen vergessen wurde? Oder gehörte all dies zu einer Zivilisation die so alt war, dass nicht einmal die Sumerer sie gekannt hatten?

Immer weiter folgte ich den Gang hinab, fasziniert von den fremdartigen Symbolen, die überraschenderweise immer komplexer und feiner wurden, desto weiter ich hinabstieg. Irgendwann war ich dann nicht einmal mehr in der Lage ihr Alter einzuschätzen, da sie erschreckend neu und frisch aus dem Stein gehauen wirkten.

Irgendwann kam ich zu einer Felskante und als ich mit der Taschenlampe hinab leuchtete, so entdeckte ich unter mit einen breiteren Gang in dem schwarze, zierlose Sarkophage standen.

Eine Aura aus überquellendem, unbeschreiblichen Alter und titanischen, von den Menschen vergessenen Ereignissen drang von dort unten herauf und ich hatte das Gefühl, dass jemand und etwas nach mir lauschte. Es war übermächtig und prallte wie eine dickflüssige, faulige Welle gegen meine Nerven und meinen Geist. Ich dachte hier wäre wohl das Ende meines Weges und ich müsste wieder zurück, als ich vom Eingang her markerschütternde Laute hörte.

Der Schock ließ beinahe zu, dass ich meine Taschenlampe fallenließ. Nur mein über Jahre gehärteter, italienischer Wille gab mir die Kraft nicht in vollkommener Panik zu verfallen. Dennoch war die Furcht kaum mehr zu ertragen. Stammten diese Laute von den Schakalen? Was geschah dort oben?

Erstarrt blieb ich stehen und hörte mir an, wie diese tierischen, manchmal fast sogar menschlichen Schreie scheinbar endlos andauerten. Als sie schließlich doch zum Erliegen kamen, so folgten Minuten der Stille, mit denen man Berge zu Staub hätte zermahlen können.

Seit meiner Kindheit, wo ich nachts im Bett mit der Dunkelheit des Schrankes gegenüber konfrontiert gewesen war, hatte ich nicht mehr solch eine Angst verspürt. Es war lähmend und ich wünschte mir die alte Decke von damals, damit ich sie mir über den Kopf ziehen konnte.

Irgendwann begannen dann neue Geräusche. Kein markerschütterndes Gekreische diesmal, sondern Schritte. Zahllose Schritte wie von nackten Füßen, die die Höhle hinunterstiegen – direkt auf mich zu.

Waren es die Beduinen? Senussi? Schlimmeres? Wie dem auch sei, ich konnte und wollte nicht bleiben. Also begann ich widerwillig den Absteige zu den Sarkophagen, die mich schweigend und erwartungsvoll bei meiner Kletterei zu beobachten schienen.

Als ich unten ankam, so bemerkte ich wie gewaltig sie vom Nahen her waren. Ein jeder Block maß zwei Meter in der Höhe und war doppelt so lang. Was für namenlose Könige lagen wohl in ihnen?, dachte ich mir, während ich vorbeihastete um vor den Schritten zu fliehen, die auch irgendwann verstummten, als ich tiefer in diese Katakomben eindrang, die wohl seit Jahrtausenden kein Mensch mehr gesehen hat.

Nach gut zweihundert Metern erreichte ich eine Sackgasse. Ich bemerkte einen Spalt in der Nähe der Decke, durch den fahles Sternenlicht fiel. Etwas Geröll lag davor.

Nun mit der Notwenigkeit konfrontiert mein Ende akzeptieren zu müssen, blieb ich stehen, hob meinen Karabiner und wartete darauf, dass die Schritte wieder begannen. Meine Hände zitterten allerdings so stark, dass es zweifelhaft ob ich etwa treffen könnte.

Während ich angestrengt und mit kaltem Schweiß lauschte, so drang allmählich ein weiteres Geräusch in meine angespannten Gedanken. Zuerst hatte ich es nicht wahrgenommen, da es einfach nicht zu diesem Ort gehören konnte. Doch es presste sich mehr und mehr in meinen Schädel, bis ich es nicht mehr ignorieren konnte. Es war das Rauschen von Wellen. Es kam vom Spalt an der Decke.

Verwundert und mit einem letzten Akt der Neugier kletterte ich auf das Geröll und spähte hinaus ins Freie, erwartend wieder die dunkle Wüste und den Sternenhimmel zu sehen, eventuell sogar eine Oase, die dieses sanfte Platschen verursachte.

Nur, es gab dort keine Nacht und keine Oberfläche. Was ich erblickte war stattdessen ein gewaltiger Hohlraum mit ferner, schwarzer Decke, wo ich nirgends Enden ausmachen konnte. Dreihundert Meter unter mir brandete ein schwarzes Meer, das niemals das Sonnenlicht gesehen hatte, gegen einen grauen Strand hinter dem sich eine solch gewaltige Stadt erstreckte, dass selbst Rom dagegen wie ein Dorf anmutete. Straßen so breit wie das Kolosseum. Schwarze Pyramiden, doppelt so hoch wie diejenigen von Gizeh. Statuen von blasphemischen Wesen die in Albträume verbannt gehören. Vertrocknete Gärten, die früher wohl ganze Wälder und Wiesen eingefasst hatten. Hohe Balkone, die mit einer dunkelroten Substanz beschmiert waren. Plätze, die Millionen fassen konnten und von denen noch der Hall von vergangenem, sündhaften Jubel erklang. Leuchttürme, die höher ragten als alle Wolkenkrater von New York und deren unbekannte Lichtquelle einen unheimlichen Schein auf alles legte. Tempel aus denen das Böse von der Finsternis jenseits der Galaxien tropfte.

Während ich mit Grauen und Faszination diese Metropole betrachtete, so kam Unruhe in den Wellen. Fern, fern ab, am Rande der Schatten von diesem unfassbaren Raum schien etwas dabei zu sein sich aus den Fluten zu erheben, so als würde es von dem menschlichen Besucher wissen.

Erschreckt zuckte ich zurück, fiel hinab auf den harten Boden. Ab da ergab ich mich meiner Angst. Die Augen geschlossen kauerte ich in eine Ecke und hielt mir die Ohren zu. Dennoch konnte ich hören. Konnte hören wie das Wasser verdrängt wurde und über die Stadt flutete.

Seit diesem traumatischen Ereignis sind nun einige Stunden vergangen. Die Taschenlampe hat aufgehört zu funktionieren. Karabiner und Messer liegen abseits von mir, da sie mir hier unten nicht helfen werden. Ich weiß nicht ob ich mich irgendwie beruhigt oder einfach den Verstand verloren hab. Ich kann keine Theorie und keine Erklärung mehr finden für das, was ich hier gesehen habe.

Inzwischen höre ich kratzende Geräusche aus den Sarkophagen und wieder kommen Schritte näher. Ich weiß nicht mehr, was real ist und was nicht. Doch ich fürchte, dass meine Sinne noch ausgezeichnet funktionieren und mir nichts von diesem Grauen hier vorgetäuscht wird.

Inzwischen kommt rotes, infernalisches Licht aus dem Spalt, das mir beim Schreiben dieser Worte hilft und ich habe beschlossen erneut aufzusteigen und mir anzusehen, was dort aus den Fluten gestiegen ist. Ihr, weiter Leser, werdet glücklicherweise von dem verschont werden was dort lauert. Ich werde es nicht mehr niederschreiben. Dieses Nachricht werde ich in meine nun leere Wasserflasche tun und hinabwerfen in das schwarze Meer, hoffend, dass sie irgendwie an die Oberfläche gespült werden wird.

Ich muss nun eilen, die Schritte sind fast hier. Möge Gott meiner Seele beistehen. Möge Italien wachsen und niemals dieses Grauen finden.

Dies ist eine Warnung. Geht nicht dorthin wo die Beduinen Angst verspüren. Sucht nicht unter dem Sand nach mir.

Ich stehe nun auf und werde ein letztes Mal in den Abgrund blicken.

Staurt A. Smith

Unter dem Sand

Die Gabe des Mondes

Die Eltern des Kindes sagten, dass sich harte Arbeit immer auszahlen würde. Wenn man nur hart genug arbeitete, dann würde man sicher die Zukunft verändern können.

Also begann das Kind zu arbeiten. In der Schule gehörte es immer zu den besten seiner Klasse. Deswegen wurde es gehänselt und besaß keine Freunde. Doch das Kind dachte, die Arbeit würde sich schon irgendwann auszahlen und alles würde gut werden. Also machte es unerbittlich weiter.

Das Kind beendete die Universität als bester seines Jahrganges und bekam Angebote von vielen Regierungen, Institutionen und Firmen.

Wenig später wurden dank des Kindes die erste Kolonie auf dem Mond gegründet. Zu dieser Zeit heirateten die meisten seiner ehemaligen Klassenkameraden. Er blieb allein.

Als seine Eltern kurz hintereinander starben, so hatte das Kind ein Großteil aller Energieprobleme auf der Welt gelöst. Wegen all der Arbeit schaffte das Kind es nicht zu ihrer Beerdigung.

Als es in seinem Lebensabend kam, so erkannte das Kind, dass es viele andere Probleme nicht hatte lösen können. Der Hunger grassierte durch alle Länder. Die Welt vertrocknete. Neue Kriege brachen aus. Die Regierungen begannen aus seinen Technologien Waffen zu bauen, die die Erde verbrannten.

Schließlich brachte das Kind sich um. Kurz darauf gab es keine Menschen mehr auf der Erde, nur noch Winde und Asche.

Weit ab begann derweil ein neues Leben.

 

»Uns erreichte ein letztes Datenpaket von der Erde«, meinte der Kommunikationsoffizier der Mondbasis. »Es stammt von…«

 

Die Nachricht wurde vergessen. Zu groß waren die Probleme, so schwer das Überleben in der frühen Zeit. Die ersten Kinder wurden wenige Jahre später geboren. Aufgrund der geringen Schwerkraft benötigten sie spezielle Muskeltherapien und in manchen Fällen sogar Operationen, damit sie sich wie normale Menschen entwickeln konnten. Nicht alle überlebten.

 

»Es ist ein Junge«, sagte die müde Krankenschwester, die dazu noch Schweißerin, Biologin in den Gemüsegärten und Wächterin war.

»Sag, ist er nicht um ein paar Ecken verwandt mit…«

»Sprich den Namen nicht aus! Er ist verflucht.«

»Ich sag ja nur, seinenMutter ist doch…«

»Sprich nicht weiter!«

 

»Arbeitet hart«, sagte der Kommandant der Basis sechs Jahre später zu den versammelten Kindern vor sich, von denen viele kränklich waren und missgebildete Gliedmaßen besaßen. »Arbeitet hart für die Gemeinschaft. Nur so überleben wir. Nur so wird die Zukunft besser werden.«

Ein Junge war unter ihnen. Dürr, aber gesünder als die meisten anderen. Er hörte aufmerksam zu. In seinem Kopf war bereits ein Ziel. Die Fehler der Vergangenheit zu bereinigen.

 

»Exzellente Noten hast du«, meinte seine Lehrerin zwei Jahre später. »Du wirst sicher später ein wichtiger Teil unserer Gemeinschaft. Deine Familie kann stolz auf dich sein.«

Nun war Pause. Die anderen Kinder nutzen die wenige Freizeit um in den alten Wartungsgängen zu spielen. Er ging zu seinem Wohnraum um zu lernen. Die anderen hatten schon längst aufgegeben ihn zum Mitmachen zu überreden.

 

»Hättest du vielleicht Lust mit hoch zur Aussichtsterasse zu gehen?«, fragte ein Mädchen, das er schon seit seiner Geburt kannte. Sie beugte sich etwas nach vorne und flüsterte: »Ich habe auch eine alte Flasche Wein von meinem Vater geklaut. Wir können mal probieren wie es so ist.«

Der nun aus der Kindheit entlassene Junge sah kaum von dem Monitor auf. Er hatte die letzte Nachricht entdeckt, die man von der Erde bekommen hatte. Sie stammte von einem entfernten Onkel von ihm, dessen Existenz man am liebsten vergessen oder auf ewig verfluchen wollte. Vielleicht konnte er hier eine Lösung finden?

Was sollte er auch oben auf der Mondoberfläche, wo man doch nur die fernen Sterne und die verbrannte Erde sehen konnte?

Also lehnte er ab.

 

Er fand eine Lösung. Eine Lösung für sie alle. Also begann er zu arbeiten. Tag auf Tag. Stunde um Stunde. Er schlief und er aß, doch beides bekam er kaum mehr mit.

Der Mond drehte sich unbeeindruckt weiter und weiter um die verlorene Heimat. Die Sonne röstete sie weiter und weiter mit ihren erbarmungslosen Strahlen.

Zuerst besuchte ihn das Mädchen noch regelmäßig bei seiner Arbeit. Dann kam sie seltener. Schließlich kam sie gar nicht mehr.

 

Irgendwann kam dann auch der Kommandant der Basis und kritisierte ihn. Er tue nicht genug für die Gemeinschaft. Die ganze Zeit sitze er in diesem kleinen Raum und arbeitete.

Verwirrung breitete sich in dem Jungen aus. Hatte man ihm nicht gesagt, er solle arbeiten? Dies tat er nun und er glaubte es würde am Ende allen Gutes bereiten.

 

Als er älter wurde, begann er sich für Maschinen zu interessieren und welche zu bauen. Ab da nannte man ihn nur den Mechaniker.

 

Menschen lebten nicht lange auf dem Mond. Seine Mutter starb mit nicht einmal vierzig an Krebs. Danach arbeitete er noch härter.

 

Das Mädchen von früher suchte sich einen anderen Jungen. Nachdem er sie zusammen gesehen hatte, arbeitete er noch härter.

 

Konzepte von Tage, Wochen, Monate und Jahre gingen verloren. Die Menschen schliefen wo sie konnten. Die Menschen aßen wo sie konnten. Die Menschen liebten wo sie konnten. Es war immer zu kurz. Grau kamen sie dem Mechaniker immer in den Gängen entgegen, die Augen ohne Ziel. Einmal wurde er gefragt, ob er jemals ein Lächeln hier unten gesehen hätte. Er schubste die Person zur Seite um zu seiner Arbeit zu kommen.

 

Trotz aller Härte. Trotz aller Arbeit. Trotz aller Mühen, begann die Basis zu sterben. Der Vater des Mechanikers tötete sich, all dies nicht mehr ertragend.

Der Mechaniker konnte nicht mehr härter arbeiten. Also machte er einfach weiter. Seine Gedanken waren voll mit seinem Ziel. So konnte er alles um sich herum vergessen.

 

Es war zerreibend. Trotz der Hilfe der Daten, so waren die Fortschritte zuerst langsam. Viele andere Menschen hätten vor Frust aufgegeben und wären an der Erfolglosigkeit zur Grunde gegangen. Doch der Mechaniker ließ nicht zu, dass sein Geist in die Knie gezwungen wurde. Er ordnete all sein Denken in einen rhythmischen Takt, wo alles seinen Platz bekam. Der Wille war das Feuer, was ihn antrieb. Die Fantasie war die Produktion. Die Einsamkeit wurde das Öl, was alles am Laufen hielt.

Sein Inneres wurde zu einer Fabrik. Eine Fabrik, die unermüdlich auf ihren Ausstoß fixiert und wo alles Weiche in den Flammen verging. Die Prozesse wurden immer weiter optimiert. Die Hallen, Fließbänder und Maschinen wurden größer und gewaltiger und drohten seinen Schädel zu sprengen.

Alles andere wurde grau. Die Welt außerhalb seiner Fabrik war nichts mehr als eine graue Wüste mit verwischenden Formen.

 

Als dann die ersten Wunder unter seinen Händen entstanden, so waren die Alarmanlagen in de Basis längst verstummt. Der Mechaniker bemerkte, dass die Luftfilter kaum noch arbeiteten. Genervt verschloss er seinen Raum von außen und tauschte seine Lungen, sein Herz und sein Fleisch durch Stahl und Hydraulik, damit er weiter leben konnte. Danach arbeitete er weiter.

 

Als er dann begann größer zu denken und Platz brauchte für seine Projekte, so brach er die Wände seines Labors auf, reparierte so viel von der ausgebrannten Basis wie er konnte und begann die gewaltigen Maschinen zu errichten, die ihn dann irgendwann zu unterstützen zu begannen.

 

So wuchs die Basis, bohrte sich tief in den Mond hinab und breitet sich über seine Oberfläche aus. Mehr und mehr wurde automatisiert und die Pläne des Mechanikers wurden immer ausgereifter.

 

Eines Tages dann, nachdem zehn oder hundert Jahre vergangen waren, war alles in Bewegung. Die Entwicklung war abgeschlossen und ab nun musste nur noch gebaut und ausgeführt werden. Dies taten nun die Maschinen.

So stand der Mechaniker da und hatte zum ersten Mal seit langer Zeit nichts mehr zu tun. Die graue Wüste lichtete sich und die Fabrik stürzte in sich zusammen.

Er realisierte nun, dass er allein war. Keiner lebte mehr in der Basis. Ihre Knochen waren von seinen Errungenschaften zu Staub zermahlen.

Seine Erinnerungen breiteten sich vor ihm aus und er sah, dass es ach so wenige waren. Er brauchte nicht lange um sie alle zu erforschen.

Danach blieb nur die Reue.

Die Reue blieb bis er starb.

 

Es endete aber nicht mit seinem Tod. Seine Maschinen arbeiteten ohne ihn weiter, vollendeten seine Konzepte. Wie viel Zeit dabei verging war für sie irrelevant.

Irgendwann verließen sie dann den Mond und kehrten zur schwarzen Erde zurück um sie zu begrünen und das Leben zurückzubringen.

Wie viel Zeit dabei verging war für sie irrelevant.

Es kam schließlich der Morgen, wo die Sonne auf das grüne Blätterdach eines Waldes fiel. Bäche mit sauberem Wasser flossen klar über Felsen und Tiere tranken aus diesen. Die Maschinen standen überwachsen mit Moos inmitten all dessen. Regungslos waren sie. Ihre Arbeit war beendet, nun war es an der Zeit zu Erde zu werden.

In ihnen war kein Bedauern.

Über ihnen schimmerte der Mond, still wie eh und je.

 

Stuart A. Smith

Die Gabe des Mondes

Die Erinnerungen an die Heimat

Anmkerung: Da die Arbeitszeigen gerade bei mir sehr brutal sind und ich Problem habe mich zu konzentrieren, so werde ich nur diese einfache Geschichte posten.

Als der Junge geboren wurde und seine Eltern mit ihm auf dem Arm auf den Hügeln ihres Heimatdorfes standen, so erstreckte sich vor ihnen nichts als grüne Wälder und Wiesen, gespickt mit glitzernden Seen und den weißen Tupfen von Schafen.

»Dies ist deine Heimat«, sagten sie zu dem Säugling. »Hier leben wir schon seit vielen Generationen. Hier sind wir verwurzelt. Du wirst hier sicher glücklich werden.«

Als der Junge sieben Jahre alt wurde und zusammen mit seinem besten Freund auf dem Hügel stieg, so konnte man am Horizont bereits die Ränder der großen Stadt sehen. Eine Straße führte nun gerade und grau durch die Landschaft.

»Was wohl dahinten alles ist?«, fragte sich der Freund, dem seine Mutter wegen der Kälte einen dicken Schal um den Hals gewickelt hatte. »Ich habe gehört, es soll ganz viele tolle Sachen dort geben. Ob wir mal dahin kommen?«

Als der Junge vierzehn wurde und zusammen mit seinem Freund auf den Hügel stieg, so war die Stadt näher gerückt. Viele der Wälder waren abgeholzt, die Seen ausgetrocknet, die Schafe in Schlachtereien geführt und Kohleminen in die Hügel getrieben.

»Wir sollten bald anfangen in der Stadt zu arbeiten«, meinte der Freund, der sich die schmerzende Wange rieb, wo seine Mutter ihn geschlagen hatte. »Dann können wir schnell von diesem verfluchten Ort weg. Vielleicht mit einem Schiff über den Ozean?«

Als der Junge einundzwanzig wurde und zusammen mit seiner Verlobten auf den Hügel stieg, so war die Stadt ganz nahe und es gab so viele Fabrikschlote, dass der Himmel verdunkelt war. Der Ruß hatte den Boden überall schwarz gefärbt.

»Es wird sicher gut für unsere Kinder später«, meinte sie laut über den Lärm der Maschinen hinweg. »Man wird hier Schulen und Krankenhäuser bauen. Wir können ja auch mit der Bahn ins Umland, wenn du in die Natur willst. Es gibt ja noch genug grüne Orte auf der Welt.«

Als der Junge achtundzwanzig wurde und auf den Hügel stieg, so wurde dort ein Lager für eine Fabrik errichtet. Er half mit beim Bau.

»Sparst Geld für deine Kinder, eh?«, meinte einer seiner Mitarbeiter und aß sein Sandwich. »Man, hättest sie nicht schwängern sollen. Kinder sind doch nur eine Pest und Geldfresser.«

Als der Junge fünfunddreißig wurde, stieg er auf den Hügel und auf dem Dach des leeren Lagerhauses. Ersah hinauf zum Himmel wo die mächtigen Kriegsmaschinen flogen und ihre Bomben herabregnen ließen. Die Hitze der Feuer brannte auf seiner Haut.

»Liebling, komm!«, rief sein Frau von unten. »Wir müssen in den Schutzbunker! Die Kleinen warten bereits auf dich!«

Als der Junge zweiundvierzig wurde, stieg auf den Hügel und stand vor den Gräbern seiner Familie. Die Ruinen der Stadt ragten leer und wie verbrannte Gebeine um ihn herum auf.

»Hier hast du also früher gewohnt«, meinte der andere Schrottsammler. »Weißt du also, wo man am besten noch etwas finden kann?«

Als der Junge neunundvierzig wurde und auf den Hügel stieg, so war er schwer krank und lag im Sterben. Die Welt war grau und nur noch einige wenige Schloten ragten aus der aschigen Wüste, die die Welt erstickte. Er versucht sich zu erinnern wie es früher, in seiner Kindheit, hier ausgesehen hatte, doch so sehr er es auch versuchte, da waren keine Bilder mehr in seinem Gedächtnis.

»Es ist Zeit zu gehen«, meinte der Tod und legte ihm die Hand auf der Schulter. »Für immer. Es gibt niemanden mehr hier, der auf dich wartet und keinen Ort, den du Heimat nennen kannst. Komm also und ziehe mit mir ab.«

Stuart A. Smith

Die Erinnerungen an die Heimat

Earth 2150 – Review

Ich habe überlegt mich wieder einmal über die aktuelle Politik auszukotzen, aber da ich gerade keine Lust habe Besuch von der Polizei zu bekommen, so lasse ich es fürs erste. Stattdessen wage ich mich mal an ein ganz neues Thema: Ein Spiele-Review! Dies wollte ich schon immer mal machen, also wieso nicht mal die Gelegenheit nutzen?

Das Spiel, was ich nun vorstellen werde, ist schon etwas älter, gehört aber bis heute zu meinen Favoriten. Ich kann nicht sagen wie viel Lebensstunden es schon aus mich rausgesaugt hat. Damals bin ich über die Computer Bild Spiele – es war auf der CD von der damaligen Ausgabe – darauf gestoßen und es hat mich sofort gefesselt.

Es ist ein RTS, also ein Real-Time-Strategy. Für diejenigen, die nicht wirklich was mit dem Begriff anfangen können, so werde ich es kurz erläutern: Man ist ein General und befehligt mehrere Einheiten in Echtzeit über eine Spielmap um den Gegner zu besiegen. Manchmal ist es auch mit Basenbau verbunden, wo man Gebäude errichtet, Rohstoffe abbaut und neue Einheiten ausbildet.

Das Spiel, was ich nun heute reviewen werde ist Earth 2150 von Reality Pump Studios und es kam 2000 heraus. Für mich ist es nicht mehr als ein Meisterwerk in Design und Präsentation und bevor ich zum Wieso komme, will ich kurz das Intro präsentieren:

Szenario:

Nach dem verheerenden Krieg im Vorgänger Earth 2140, bei dem Atomsprengköpfte am Nordpol gezündet wurden, wurde die Erde aus ihrer Umlaufbahn geschleudert und trudelt nun auf die Sonne zu.

Realistisch? Natürlich nicht. Doch dies ist auch nicht wirklich wichtig. Das Ende des blauen Planeten ist nun nicht mehr aufzuhalten und nun versucht jede Fraktion so viel Rohstoffe aus der sowieso schon ausgebeuteten Erde zu holen wie nur möglich um zum Mars und andere Planeten zu entkommen. Im letzten Krieg auf der Erde geht somit um die letzten, verbliebenen Ressourcen und wenn man versagt, so geht man unter – für immer.

Die Fraktionen:

Eines der besten Features sind die Fraktionen von Earth 2150, die zwar alle das gleiche wollen, doch auf unterschiedliche Art und Weise versuchen dahin zu kommen. Ich präsentiere mal schnell alle:

Eurasian Dynasty (ED):

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Im Grunde eine Mischung aus Zarenreich und Sovietunion. Dieses Megaimperium kontrolliert Asien und Europa und bleibt durch brutale Unterdrückung an der Macht. Technologisch sind sie etwas zurückgeblieben und benutzen noch massive Schützenpanzer, Hubschrauber und ballistische Geschosse. Dazu haben sie einen Hitzelaser, der einen Gegner von innen heraus zum kochen und schlussendlich explodieren bringt.

Sie habe noch eine gute Mischung aus Panzerung und Schaden und sind für Einsteiger im Spiel gedacht. Strom erzeugen sie noch mit Kohlekraftwerken, die alle Gebäude in Reichweite versorgen und ihr Erzabbau ist etwas umständlich. Zuerst braucht man eine Mine über das Erzfeld, dann eine Raffinerie und am Schluss dann Transporter, die das Erz zwischen diesen beidne Punkten transportieren.

Wer viel Bumm mag und nichts gegen russische Akzente und etwas derbere Sprache hat, der wird sich hier gut aufgehoben fühlen. Für den Zaren!

United Civilized States (UCS):

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Nachfolger der USA. Maschinen haben den Menschen hier alle Arbeit abgenommen und zu einer unglaublichen Dekadenz und Realitätsverlust geführt. Der einzige der hier wirklich das baldige Ende der Erde erfasst hat ist der Regierungscomputer. Der Spieler ist der neue Puppenpräsident – der per Los gewählt wird – und man bekommt die Aufgabe die Roboterarmeen der UCS zu führen, um ein Superraumschiff für die verdummte Bevölkerung zu bauen.

Die Mechs dieser Fraktion laufen meist auf zwei oder mehr Beinen durch die Gegend und teilen den größten Schaden aus. Ihr Plasmawerfer kann fast jede Einheit mit ein oder zwei Schuss töten. Sie bauen Atomkraftwerke, die zwar teuer sind, aber dafür viel Strom produzieren und deren Output mit Transmittern zu jeder Ecke der Map transportiert wird – im Gegensatz zur ED, wo immer ein Kohlekraftwerk in der Nähe stehen muss.

Sie brauchen keine Minen, sondern haben spezielle Fahrzeuge die von allein bei Erzfeldern graben und dann die Ernte zur Raffinerie bringen.

Wenn man diese Fraktion spielt, muss man die etwas seelenlosen, sehr knappen Missionsbesprechungen mit dem Regierungscomputer ertragen. Ist für die Roboterfreunde gedacht.

Lunar Corparation (LC):

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Ehemalige Mondkolonisten, die nun ebenfalls zur Erde zurückkommen, da der Trabant allein nicht genug Rohstoffe für die Evakuierung hat. Sie haben eine stark kapitalistische Gesellschaft, bei der eine strenge Ethik und feste Konzepte von Hilfsbereitschaft und Entspannung den Konkurrenzkampf etwas auflockern (Joga- und Meditationskurse sind meist verpflichtend). Durch einen genetischen Defekt werden auch beinahe nur noch Frauen in der LC geboren, die somit die Politik fest im Griff haben und auch ausschließlich die Soldatinnen stellen, da die wenigen Männer zu kostbar sind um an der Front verschwendet zu werden.

Diese Fraktion ist ein wenig tragisch. Während die ED und UCS sich schon seit 2140 die Köpfe einschlagen und sich mit jeder Faser hassen, so ist die LC relativ neu und ist nun in ihrem allerersten Krieg ihrer Geschichte.

Die ersten Einheiten, die der Spieler bei ihnen bekommt, sind tatsächlich zivile Fahrzeuge an die man schnell einige Waffen dran gebaut hat. Wenn man sie anklickt, so antworten junge, aufgeregte Stimmen, so wie von Schulmädchen, die noch keine wirkliche Ahnung von dem haben was auf sie zukommt. Spätere Einheiten allerdings sind massiver, tödlicher und hier klingen die Stimmen kälter und abgebrühter.

Man kann während des Spieles praktisch zusehen wie ihre einst friedliche und pazifistische Gesellschaft zu einem spartanischen Militärstaat wird – nicht besser als die anderen beiden Fraktionen in ihrer Grausamkeit.

Die Schwebeeinheiten der LC gehen zwar schnell kaputt, sind aber schnell und billig. Dazu haben sie einige wirklich gefährliche Waffen wie der Blitzwerfer, die Schallkanone und eine Wetterkontrollstation.

Sie benutzen Solarkraft und für die Nacht gewaltige Batterien. Sie brauchen keine Transmitter. Ein Kraftwerk kann also alle Gebäude über die gesamte Map versorgen. Ihre Minen sind dazu auch noch Raffinerien, sodass man keinen nervigen hin und her Transport bei ihnen braucht.

Dazu können ihre Gebäude fliegen und somit die Basen beliebig versetzt werden.

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Grafik:

Es ist natürlich etwas veraltet, aber ich finde die 3D-Grafik kann sich bis heute sehen lassen – allein von den Details her.

Alles ist trübe, verrostet und gräulich-braun. Man hat wirklich das Gefühl auf einer Erde zu sein die einige Apokalypsen zu viel erlebt hat. Neben den eigenen und den feindlichen Basen gibt es dazu keine Städte – nur Ruinen. Auch kann man nur die Fahrzeuge sehen, aber keine Menschen. Vermutlich konnten sie damals einfach keine Infanterie gut genug animieren, doch dies ist so nicht tragisch. Gerade weil man nur mahlendes Metall und verbrannte Erde sieht, wird das Spiel von der Atmosphäre her nur noch endzeitlicher und bis heute habe ich kein RTS erlebt, dass mich so in seine Welt gesaugt hat.

Dazu kommen noch Sachen die ich bis heute nicht mehr gesehen habe. Tag- und Nachtwechsel, dynamisches Wetter etc. gibt es zwar auch in modernen Spielen, aber Kleinigkeiten wie beispielsweise Rauchsäulen die sich im Wind drehen, oder Panzer die langsam eingeschneit werden… dies machte die Spielwelt – trotz aller Trostlosigkeit – dennoch irgendwie lebendig.

Desto näher man auch der Sonne kommt, desto mehr verändert sich die Erde. Zu Anfang ist alles in einem nuklearen Winter gefangen. Gegen Ende dagegen bricht die Erdkruste auf und es wird wärmer… viel wärmer. Die letzten Gefechte des Spieles sind zwischen brennenden Palmen und Lavaströmen.

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Musik:

Jede Fraktion hat ihre eigene Melodie.

Die ED hat ihre dröhnende, sovietische Marschmusik. Die UCS haut einem eine endzeitliche Version von Rock’n Roll um die Ohren. Und die LC besitzt eher sanfte, synthetische Klängen, die zu ihrem außerweltlichen Ursprung passt.

Um es kurz zu fassen, die Musik ist fantastisch.

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Gamplay:

Hier kommen wir nun zum Hauptteil. Was macht Earth 2150 nun so richtig? Was hatte es für so revolutionäre Ideen?

Nun, zum einen ist da der Timer. Man hat nur so viele Tage um die benötige Menge Rohstoffe zu sammeln (ein Tageszyklus im Spiel ist so um die zehn Minuten lang) und wenn man es bis dahin nicht schafft, dann geht die eigene Fraktion in der Sonne unter.

Neben dem Zeitdruck muss man auch ökonomisch planen. Wie viele des abgebauten Erzes benutze ich für mich selber um mehr Gebäude und Einheiten zu produzieren und wie viel schicke ich zur Raumstation zum Bau der Evakuierungsflotte? Jede Einheit ist wichtig und man passt automatisch darauf auf, dass man nicht zu hohe Verluste hat.

Als nächstes ist die Hauptbasis. Wenn man mit einer Fraktion beginnt, so bekommt man eine Anfangsbasis, die nicht angegriffen werden kann, die deie Abschussplattform für den Raumhafen beinhaltet, in der man forscht und die Einheiten zwischen Missionen einlagert. Wenn man eine Mission beginnt, so schickt man alle Einheiten von der Hauptbasis zur Mission und wenn der Auftrag beendet ist, so schickt man alles – samt der Einheiten die man vor Ort produziert hat – wieder zurück. Wenn man vorsichtig kämpft,  baut man sich so mit der Zeit eine Armee von Veteranen auf.

Die Missionen an sich sind vielfältig. Oft geht es zwar um Rohstoffe sammeln, aber manchmal muss man auch eine gegnerische Armee zerstören, eine alte Basis wiederfinden oder feindliche Forschung sabotieren. Man kann Missionen auch verlieren und dies bedeutet nicht das Ende der Kampanie. Allerdings bauen viele Missionen aufeinander auf und man kann durch eine Niederlage viel von der Story verlieren. Es gibt bei der ED beispielsweise einen Nebenstrang von Missionen die in der Arktis beginnt und – wenn man erfolgreich ist – bei Area 51 endet, wo man ein UFO aus der Anlage stiehlt und es ab da dann im Kampf benutzen kann. Solch eine dynamische, optionale(!) Entwicklung vermisse ich bei heutigen Spielen.

Wo kann man weitermachen? Es gibt ein Tunnelsystem im Spiel, wo man unterirdisch kämpfen kann – allerdings können die Munitionstransporter nicht darunter, weswegen jede Kugel zählt! Man kann auch neue Tunnel graben oder Brücken über Flüsse bauen.

Man kann seine eigenen Einheiten zusammenstellen und benennen. Soll dieser Panzer ein Raketenwerfer auf das Hauptgeschütz bekommen oder doch lieber einen Laser? Soll ich das Ding YourMom1934 oder Fister43 nennen (jetzt nur spaßeshalber, ich war damals natürlich etwas kreativer).

Wo soll man weiterforschen? Lenkraketen oder doch lieber bessere Panzerung? Die Wahl überlässt das Spiel dem Spieler. Bau und spezialisiere deine Armee wie du willst!

Wann kommt eigentlich die nächste Nachrichtensendung, die über meine letzten Taten berichtet?

Wenn dann zwei Armeen aufeinandertreffen bricht das Chaos aus. Die Fahrzeuge brechen in alle Richtungen aus und jagen sich quer über die Landschaft. Über die Lautsprecher hört man die Flüche der eigenen Soldaten. Überall beginnt es zu brennen. Rauch verdunkelt den Himmel. Die Übersicht geht zwar flöten, aber die Atmosphäre dabei ist unschlagbar.

Während der Anfang vieler Missionen oft sehr spannungsgeladen ist, da man oft schnell eine Basis errichten und Erzfelder sichern muss, so sind die Enden meist etwas dröge. Wenn erst einmal eine Verteidigung steht, wird der Gegner sich an dieser aufreiben bis ihm das Erz ausgeht. Doch ich hatte damals nichts dagegen. Als Vierzehnjähriger lehnte ich mich einfach zurück, sah zu und überlegte mir im Kopf Geschichten zu dieser dunklen, düsteren und zerstörten Welt vor mir.

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Fazit:

Es gibt zwei Erweiterungen zum Hauptsiel. Moon Projekt – bei dem es um eine Invasion des Mondes durch die UCS und die ED geht – und Lost Soules, was nach dem Hauptspiel losgeht und wo man die letzten Zurückgebliebenen spielt, die noch irgendwie versuchen das sinkende Schiff zu verlassen.

Ich hoffe ich konnte euch für das Spiel begeistern. Selten habe ich so viel Liebe zum Detail bei den einzelnen Fraktionen eines RTS gesehen oder so eine Atmosphäre erlebt. Ich würde sagen es stellt bis heute viele moderne RTS in den Schatten, da diese einfach nicht so viel bieten können wie dieses. Alles ist so gut aufeinander abgestimmt und nichts wirkt irgendwie überflüssig.

Wie gesagt, für mich ist es ein Meisterwerk.

Es erzählt seine packende Geschichte allein durch die Veränderung der Schlachtfelder und dem Missionsdesign. Es sieht immer noch herrlich apokalyptisch aus. Der Sound ist eh zeitlos… und… und… und…

Ich höre jetzt lieber auf. Ich will mich hier nicht aufhängen und zehn Seiten schreiben. Ich hoffe dieses Review war passabel und das ich Interesse bei einigen wecken konnte.

Noch einen schönen Tag,

Stuart A. Smith

Earth 2150 – Review

Zwischen den Lichtern, jenseits des Mondscheins

(Anmkerung: Auf diese Geschichte bin ich wirklich stolz und ich freue mich sie mich euch allen teilen zu können. Hat zwar auch nicht für einen Sieg bei einem Wettbewerb gereicht, aber hey, dafür habt ihr nun den Luxus sie hier nun ganz für frei lesen zu können. Viel Spaß.)

Der Mann im Anzug fand sich in einer dreckigen Einöde wieder, während über ihm die letzten Sterne unter einer Decke dunkler Wolken verschwanden. Selbst der Mond war nicht mehr in der Lage hindurch zu scheinen.

Hinter ihm erhoben sich die Schloten eines Industriegebiets und verbrannten Gas an ihren Spitzen, gleich wie Leuchtfeuer. Vor ihm glitzerte eine entfernte Skyline, deren Bauten eine hohe Wand aus Glas und Beton, umspült von farbigen Licht, bildeten. Zu seiner Rechten war das Rauschen eines Meeres zu hören. Zu seiner Linken war nichts weiter als endlose Finsternis.

Der Mann begann zu gehen, strebte auf die Stadt vor sich zu, seine Aktentasche an sich gedrückt. Er tat dies nicht, weil sich etwas Wichtiges in ihr befand, sondern weil er einfach nur etwas halten musste.

Der Dreck drückte sich in seine schwarzen, ledernen Schuhe, die nicht für solch eine Umgebung gedacht waren. Zerbrochenes Glas knackte unter seinen Füßen. Stachliges Gras, das spärlich hier wuchs, strich über seine Hose.

Augen funkelten im Halbdunkeln. Große, fette Ratten fauchten ihn regelrecht an, als er vorbeiging und sie bei ihrem Mahl im Müll störte.

Eine verlassene Gegend war dies. Auch vergessen. Nur Unrat kam hierher. Unrat in jeder Form. Der Unrat ließ noch mehr Unrat zurück.

Die einzige Beleuchtung kam von der gewaltigen Stadt mit ihren schimmernden Monolithen und auf der gegenüberliegenden Seite von dem infernalischen Leuchten des stampfenden Molochs aus Fabrikhallen, Streben und Röhren.

Der Mann im Anzug sah nicht zurück zu dem Industriekomplex, da dieser Ort so nahe und bedeutsam für ihn war wie die fernen Sterne, die sich nun über ihn verschleierten. Diese Mühlen aus Stahl, Rauch, Hitze und Endlosigkeit waren nichts woran er jemals Gedanken zu verschwenden brauchte. Wichtig für ihn war nur die Metropole. Diese musste er erreichen.

Die Schuhe waren inzwischen ruiniert, doch es kümmerte ihn nicht, während er unbeirrt weiterging. Es war kühl in der Luft, doch die ungewohnte Anstrengung ließ ihn schwitzen und schnaufen. Sein Hemd wurde nass und die zuvor wohl geordneten Strähnen seiner Frisur gerieten in Unordnung, während er sich weiterkämpfte.

Nach einer Zeit, die in wenigen Minuten oder zahllosen Stunden gemessen werden konnte, flog ein Hubschrauber über ihn hinweg. Er hörte das Rattern der Rotoren und ein grelles Licht huschte kurz über ihn, bevor es weiter Richtung Stadt wanderte. Dabei beleuchtete es immer einen kleinen Flecken der Trostlosigkeit dieser Umgebung und missgebildete Tiere krochen eilig davon, als der Schein sie erfasste.

Der Mann im Anzug machte sich nicht die Mühe aufzusehen. Seine Beine schritten mechanisch weiter, schoben sich durch den Unrat und den kümmerlichen Gewächsen.

Aufgegebenes, kaputtes Spielzeug rief still um Hilfe; wollte wieder benutzt werden. Puppenhände winkten ihm entgegen. Stofftiere grinsten ihn flehentlich an. Bauklötze mit Buchstaben formten Sätze in denen sie darum baten, dass er sie mitnahm. Über diese Reste vergangener Kindheiten thronten alte Waschmaschinen und Kühlschränke wie Grabsteine, die erhaben ihr Schicksal annahmen und langsam, aber sicher im Schlamm versanken.

Dort war eine Senke. Der Mann im Anzug sah die Kante in der Düsternis zu spät. Er fiel hinunter. Die Aktentasche entglitt seiner Hand und zerschellte an einem Stein. Weißes Papier wurde vom Wind davongetragen. Faulige, feuchte Erde ausspuckend stemmte er sich auf die Knie. Eine Hand blieb auf dem Boden, um Gleichgewicht zu halten. Eine Kakerlake kroch über seine Finger. Schnaubend schüttelte er sie ab, wischte sich Schleim vom Gesicht um wieder besser sehen zu können, stand auf und humpelte weiter.

Dorniges Gestrüpp erwartete ihn am anderen Ende der kleinen Senke. Er zögerte nicht hindurchzugehen und die Äste griffen nach seiner Hose, rissen den Stoff auf und ließen die Haut darunter bluten.

Die Stadt war nun näher gekommen. Fiebrig funkelnd erwarteten ihn die gewaltigen Bauten, an deren Glätte ein jeder Schmutz abzurutschen schien. Trotz dieses Ödlands an ihrem Rande erhoben sie sich stolz und verkündeten, dass ihre Welt in den Wolken und im endlosen Licht lag.

Die Lichter der Industrieanlagen waren zu nicht mehr als einer dünnen Linie hinter dem Mann im Anzug verkümmert, nur noch die kleinen Punkte der Flammen darüber aufragend, so als wollten sie ihn noch immer zurücklocken.

Der Mann im Anzug wandte aber nicht den Blick von seinem Ziel ab. Nun knurrend vor Entschlossenheit kam er aus dem Gestrüpp frei und schleppte sich weiter voran.

Er erreichte einen Friedhof aus Rost.Durch den Wind halb im Sand vom nahen Strand vergraben und mit zerbrochenen Scheinwerfern sahen die sterbenden Laster, Kleinwagen, Geländefahrzeuge und hier und da auch ein Motorrad ihm zu, wie er zwischen ihnen dahinging. Sie waren verkrüppelt, da ihnen Räder fehlten und ihre Motoren waren vom Zerfall zerfressen wie von Hirnkrebs. Ihre langen Wanderungen über die immer gleichen Straßen war hier zu einem Ende gekommen und es blieb ihnen nur noch zu warten bis sie wieder Teil der Erde wurden.

Der Mann im Anzug blieb vor einem Bus stehen. Das Schild über den zersprungenen Frontscheibe zeigte noch die Wörter Letzter Halt. Auf einigen der Sitze in seinem Inneren lagen noch vergessene Utensilien wie leere Flaschen, geplünderte Taschen oder Regenschirme. Das Glas von einem der runden Scheinwerfer war noch intakt und dieses eine Auge schien den Mann im Anzug einzuladen zu wollen einzusteigen.

Dieser spuckte aber nur aus und drehte sich zur Seite. Dort sah er die drei wilden Hunde stehen.

Ihre Haut war durch Krankheiten gezeichnet, ihnen fehlte ein Großteil ihres Fells und ihre Rippen waren zu sehen. Sie fletschten ihre Zähne, gieriger Sabber tropfte zu Boden und sie scharten mit den Pfoten. Sie waren hab wahnsinnig vor Hunger, ihre alten Raubtierinstinkte dominierten sie wieder und so griffen sie den Mann im Anzug an.

Zur Verteidigung zog dieser sein Jackett aus und warf es zur Ablenkung. Gelbe Zähne zerbissen sich in dem schwarzen Stoff, als die Biester sich darauf stürzten. Der Mann kam näher und begann den Kampf.

Mit Händen und seinem eigenen Mund wehrte er sich. Er kratzte, zog, haute, schmeckte eigenes und fremdes Blut und schrie seine Wut hinaus.

Zwei Hunde, einem davon fehlte nun ein Ohr, flohen am Ende und den Dritten erdrosselte er mir seiner Krawatte. Mehrere Türen von den halbtoten Fahrzeugen klapperten leicht, so als wollten sie ihm zu seinem Sieg applaudieren.

Der Mann verließ diesen Schauplatz. Mit Wunden war nun übersät und sein Hemd war rot gefärbt. Zerfetztes Jackett und Krawatte ließ er zurück.

Als nächstes erreichte er eine Straße. Sie führte direkt zur Stadt. Er folgte ihr eine Weile, bis ein Bus vorbeifuhr.

Eilig rannte der Mann hinterher um noch einsteigen zu können, hielt dann aber inne als er sah, wie das große Vehikel die Kontrolle verlor und im Graben endete. Feuer begann zu prasseln.

Mit einem enttäuschten Seufzen ging der Mann weiter, vorbei an der brennenden Unfallstelle und erreichte Stunden später endlich die Stadt.

Das Rauschen des Meeres brach ab und Stille umfing ihn, als er die Schluchten durchwanderte. Nichts bewegte sich mehr. Türen waren offen, Fenster eingeschlagen. Der Geruch nach verkohltem Fleisch lag in der Luft. Der Boden war mit den Resten von Kleidung bedeckt.

Alles war ruhig. Alles war friedlich. Die Uhren standen still. Bis zum Sonnenaufgang musste noch lange gewartet werden.

Der Mann erreichte ein Café. Davor stand ein umgeworfener Polizeiwagen. Er umrundete diesen und trat ein. Die meisten Stühle und Tische waren zerstört, doch in einer Ecke fand er von beidem noch ein intaktes Exemplar.

Gelassen setzte er sich nieder, nahm eine Karte in die Hand und studierte sie konzentriert. Ein Cappuccino mit einem Stück Apfelkuchen hörte sich doch ganz angenehm an. Entspannt lehnte er sich zurück und wartete darauf zu bestellen.

Stuart A. Smith

Zwischen den Lichtern, jenseits des Mondscheins

Erinnerung der Puppen – Spiel

Ich will mal wieder eines meiner RPG-Maker Games vorstellen. Im Gegensatz zu Die Straße ist diese kleine Kreation von mir noch in Arbeit. Die Texte sind etwas ungeschliffen und ich warte noch auf einige Bilder von meinem Künstlerkumpel. Momentan sind vier seiner visuellen Beiträge implementiert. Einmal den Titelscreen und die Screens für einige der Bad Ends. Beim Rest ist noch Ersatz von mir in Form von schlechten Paint-Zeichnungen.

Die Erinnerung der Puppen ist etwas komplexer als die Straße und läuft auch noch unter mein Pseudonym Selcarnor Fangen wir aber mal ganz von vorne an.

Erinnerung der Puppen

Szenario:
Ein Mädchen ohne Namen oder Erinnerungen erreicht einen unbekannten, fremdartigen Ort. Rätselhafte Wesen namens Adapa empfangen sie voller Freude wie eine Heilige.

Sie haben eine wichtige Aufgabe für sie.

Viel hängt von ihr ab.
Sie bringen das Mädchen in einen Raum mit einem Brunnen, der die Welt kontrolliert. Anhängend gibt es drei weitere Wege. Einer führt in ein Archiv, der nächste in einen Gemeinschaftsraum und der dritte zu einem Ort namens Die Tiefe.
Von diesem kleinen Hub aus wird sich das Schicksal des Mädchens und von so viel mehr entscheiden.

Gameplay:
Über den Brunnen muss man in Runden Entscheidungen treffen um eine Balance zu halten zwischen vier wirtschaftlichen Säulen: Landwirtschaft, Industrie, Puppen und Recht. Was jene Säulen spezifisch darstellen und zu was für eine Zivilisation diese gehören sagen die Adapa nicht. Man soll nur dröge und endlos lang die Balance halten. Bricht eine Säule zusammen, heißt es Bad End.
Im Laufe der Spielzeit werden weitere Räume freigeschaltet.
Im Archiv sind einige meiner Geschichten, die ich als Gimmick eingebaut habe und sie sind nicht notwendig zu lesen. Ihr könnt euch also die Zeit sparen. Sie bieten der Spielwelt allerdings etwas mehr Tiefe, zerstören aber auch das Mysteriöse/Surealle.
Im Gemeinschaftsraum sammeln sich Freunde und ja nachdem mit welchen man pro Runde interagiert, bekommt man andere Enden.
Insgesamt gibt es drei normale Freunde und einen geheimen Freund.
Dazu kommen sieben Bad Ends, drei normale Enden und drei geheime Enden.

Ein kleiner Tipp zum Erreichen der geheimen Enden und den wichtigen Informationen dort: Ein bestimmter Adapa wird zu einem bestimmten Augenblick einen Tipp abgeben. Es lohnt sich also diese Gesellen mehrfach anzusprechen.

Charaktere:

Protagonistin: Namenlos und ohne Vergangenheit.

Adapa: Unermüdliche, immer lächelnde Arbeiter. (Und sie sind Slender-Man-Nachahmer XD)

Freunde: Wanderer, die auf der Suche sind und es hoffen bei dir zu finden.

Umfang:

Wenn man sich gut anstellt, dauert es bis zu den normalen Enden eine gute Stunde. Mehr wenn man die Geschichten liest.
Schneller ist es natürlich, wenn man spastisch durch die Dialoge klickt – was man wohl tun wird um andere Enden zu erreichen, falls man blöd speicherte.

Um den geheimen Kram zu erreichen braucht mal vielleicht 20-30 MInuten länger.
Ich persönlich würde nach dem Tutorial einen Speicherstand anlegen.

1

Grafik:

Die bunte Umgebung habe ich selber kreiert und soll möglichst fremdartig wirken. Bilder von meinem geschäzten Zeichner Andre Ley werden auch und nach eingefügt. Das Spiel sieht vielleicht nicht superchick aus, allerdings lernte ich auch hier wie man Map-Komponenten erstellt und einfügt.

2

Musik:

Wieder leider keine eigene Musik, aber ich hoffe die vorhandenen, ausgewählten Stücke erreichen die gewünschte Atmosphäre.

Wie schon bei Die Straße braucht man hier auch die Software Software RTP. Link wird mit dem Spiel bereitgestellt.

Ich wünsche viel Spaß beim spielen und wenn ihr Bugs findet oder einfach nicht weiter wisst, dann sagt Bescheid.

Stuart A. Smith

Downloadlink: Klick mich!

Zum Spielen wird auch die Software RTP benötigt, die hier zu finden ist: Klick mich!

Ihr müsst die Version für den RPG Maker VX Ace herunterladen.

Erinnerung der Puppen – Spiel

Der Jäger

Anmerkung: Mit dieser Kurzgeschichte wollte ich im Rahmen eines Seminars einen Charakter vorstellen. Ist also wie bisher in keinem größeren Ramen eingebunden. Ich hoffe mir ist die Darstellung Hektors gut gelungen. Viel Spaß beim lesen!

An meine Majestät, der König,
als oberster Archivar und Protokollant der kaiserlichen Provinz Graumark sehe ich mich verpflichtet von den seltsamen Ereignissen in der Siedlung Weißholz zu berichten, die sich dort nun seit einiger Zeit häufen und sich allesamt um den Jäger Hektor (kein Nachname vorhanden) verdichteten und in den letzten Monate überhandgenommen haben.
Vermutlich hat bisher noch keine Kunde von diesem Mann euch erreicht und auch ich kann nur wenig Konkretes berichten.
Das gesamte, bisherige Leben dieses mysteriösen, stummen Mannes kann nach meiner Recherche kurzgefasst auf diese Weise beschreiben werden: Zu Beginn misstraut, anschließend ausgegrenzt, dann verachtet und inzwischen gefürchtet. Vor 28 Jahren wurde er als Säugling nahe des Dorfes in einer schlammigen Grube gefunden. Es war in der Nacht des großen Jahrhundertunwetters, das damals zahllose Leben in Graumark gefordert hat. Neben ihm steckte eine Lanze im Boden, deren Form und Fertigungsart zu keinem bekannten Land passt und in der das Wort Hektor geschnitzt war. So kam er dann zu seinem Namen und wegen einer kurz darauffolgenden Missernte wurde er schon früh als schlechtes Omen angesehen. Da man seine Eltern nicht finden konnte und niemand nach ihm suchte wurde er von einer älteren, zurückgezogen lebenden Frau aufgenommen. Über seine Kindheit ist kaum etwas bekannt, da er nie mit anderen Altersgenossen spielte und sein Wohnort etwas außerhalb im Wald lag. Auch hat sich niemand je die Mühe gemacht mit ihm in engeren Kontakt zu treten.
Als seine Ersatzmutter dann natürlichen Weges starb war er gerade vierzehn und begann sich kurz darauf mit dem Jägerhandwerk selbst zu versorgen. Wer ihm dies beigebracht hat oder woher er seine schwere Armbrust bekam ist bis heute unbekannt. Sein Geschick im Schießen und im Fallenlegen war zumindest von Anfang an bemerkenswert und deswegen zog er noch mehr Misstrauen und nun auch Neid zu sich. Aber er versorgte das Dorf mit weiterer Nahrung und deswegen duldete man ihn.
Doch inzwischen hat sich die Situation auf eine ungute Art und Weise entwickelt und mich auch dazu gebracht Weißholz zu besuchen um der Sache nachzugehen. Dies tat ich nachdem der Dorfvorseher mir mehrere Briefe mit Unterschriften von beinahe der gesamten mündigen Bevölkerung der Ortschaft geschickt hat, in denen er um Hilfe bat, da er mit der Situation selbst überfordert war. Der gesamte Wald um das Dorf ist nämlich nun mit Hektors Fallen gespickt und sie sind so gut versteckt, dass sich kaum noch einer hineintraut. Es gab schon mehrere Verletzte deswegen. Nur noch die Hauptstraße gilt als sicher. Wenn man Feuerholz braucht muss man Hektor bitten einen Bereich mit Fallen zu räumen, damit man an die Bäume kann. Auf Anfragen, doch bitte nur noch mit seiner Armbrust zu jagen, antwortet der hünenhafte, muskelbepackte Mann nur mit einem Kopfschütteln. Viele erwachsene Dorfbewohner meinen sie wären inzwischen gefangen in ihrer eigenen Heimat.
Und dann sind da noch die Kinder und hier wird es erschreckend. Sie können erstaunlicherweise den Wald so oft betreten wie sie wollen und nie tappte bisher eines davon in Hektors Fallen. Auch scheinen sie einen Großteil des Tages mit dem stummen Jäger zu verbringen, auch wenn nicht klar ist, was sie dabei spielen. Man hört zumindest nie ein Lachen oder ein Weinen. Nur Stille, ab und an unterbrochen vom Schrei eines Tieres, das Hektor erlegt. Auch rätselhaft ist das inzwischen fast kollektive Verhalten der Kinder, die keine einzelnen, rivalisierenden Banden oder Spielgruppen mehr bilden, sondern stattdessen alle immer genau gleichzeitig jeden Morgen in den Wald strömen und jeden Abend alle wieder gleichzeitig zurückkommen. Auch berichten die Eltern, dass ihre Zöglinge, sofern daheim, erstaunlich gefügig geworden sind.
Mit dem Jäger Hektor selbst konnte ich nicht reden, was zum einen an seiner Unfähigkeit liegt mit der Zunge Worte zu bilden und zum anderen daran, dass er nur ins Dorf geht, um Fleisch abzuliefern und sonst immer in seinem Wald bleibt. Wirklich Kontakt hat er nur mit den Kindern und die weigern sich über ihn zu sprechen.
Meine Majestät, ich hoffe dieser kurze Bericht verdeutlicht die Situation. Die Menschen in Weißholz sind wegen dieses Mannes sehr beunruhigt, aber sie trauen sich nicht ihn zu verjagen, da sonst niemand mehr weiß wo es überall die Fallen gibt. Es muss etwas getan werden, um diesen armen Seelen zu helfen.
Deswegen bitte ich um eine staatliche Kommission, die entweder versucht mehr über die Herkunft des Jägers Hektor zu erfahren oder sich direkt mit ihm selbst beschäftigt, in der Hoffnung, dass er sich zum Wohle der Gemeinschaft verändert. Wenn nicht, dann ist eine Verbannung auch nicht auszuschließen, auch wenn Hektor bisher nichts Verwerfliches getan hat. Doch er sorgt für großen Unfrieden.
Ein schweres Gewitter erreicht bald Graumark. Die Brücken werden dann überflutet sein. Doch wenn sich das Wetter bessert, hoffe ich auf eine schnelle Antwort von euch, Majetät. Ich kehre morgen vor den Regenfällen und nachdem ich diesen Brief abgeschickt habe nach Weißholz zurück um weitere Untersuchungen anzustellen.
Ihr ergebenster Diener,
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Anmerkung der königlichen Hauptbibliothek: Dies ist der letzte bekannte Brief vom Archivar und Protokollant von Graumark. Er kehrte nie aus Weißholz zurück. Das Dorf ist nun komplett abgeschnitten von der restlichen Provinz, die noch mit den Sturmschäden zu kämpfen hat. Man hat vor zwei Monaten eine Kompanie königliche Soldaten zur Untersuchung ins geschickt. Sie kamen tags darauf vollzählig zurück, doch keiner von ihnen konnte mehr sprechen. Inzwischen sind fünfzehn an Schlafmangel gestorben. Andere sind durch Selbsteinwirkung erblindet. Entlang der Hauptstraße nach Weißholz findet man regelmäßig Kisten mit Fleisch und Obst, die insgesamt mit den monatlichen Steuern des Dorfs übereinstimmen. Der König hat das gesamte Gebiet zur Sperrzone erklärt und verboten, dass jemand Weißholz oder die umliegenden Wälder betritt.
Anmerkung 2: Inzwischen wurden unbekannte Fallen im Umkreis von Moorstedt, dem Nachbardorf von Weißholz, gefunden. Auch wurde unnatürliches Verhalten an den Kindern beobachtet. Man diskutiert nun diese Ortschaft zu evakuieren.

PDF: Der Jäger_by Stuart A. Smith

Der Jäger