Für Immer & Perfect Days – Zwei Filme über das Leben

Der erste Monat von 2024 war für mich eine regelrechte häufig in der Kinozeit, da eine überraschend große Anzahl an Filmen herauskam, die ich alle gerne gucken wollte. Ich habe z.B. den neuen Film von Hayao Miyazaki gesehen: Der Junge und der Reiher, der komplett anders war, als erwartet und das Kriegsdrama Mein Sohn, der Soldat über schwarze Soldaten aus dem Senegal im ersten Weltkrieg, den ich eher enttäuschend fand.

Zwei die mir aber besonders im Gedächtnis geblieben sind und mich immer noch zum Grübeln bringen, sind Für Immer und Perfect Days. Die Eindrücke und die Gedanken möchte ich nun jeweils hier zum Ausdruck bringen.

Für Immer von Barbara Lueg

Dies ist eine Dokumentation, die ein älteres Ehepaar in der letzten Phase ihres Lebens begleitet. Die Kinder sind lange aus dem Haus, die Körper werden fragiler und es bleibt nur das Zusammensein. Tatsächlich war ich überrascht von der sanft mitgetragenen Botschaft des Films. Heutzutage wird ja gern das Singletum hochgehalten. Man hört Aussagen wie, dass man immer mit sich selbst klarkommen sollte, dass Partner doch nicht mehr sind als zeitweilige Begleiter im Leben, dass man sich austoben sollte mit mehreren Menschen und wie glücklich man doch ist mit der Freiheit des Alleinseins, eine Studie belegt dies auch bla bla bla. Wie es dann später im Alter aussieht, wird dann gerne verschweigen.

Umso schöner und beinahe erfrischend ist es dann in dieser Dokumentation zu sehen wie Eva und Dieter Simon nach Jahrzehnten noch immer zusammen sind. Ihr langsamer Alltag wird gezeigt, wie sie sich im Alter zurechtfinden und aus alten Tagebüchern wird vorgelesen.

Wirklich mehr gibt es nicht zur „Handlung“ zu sagen. Sie beide sind der Fokus und andere Menschen kommen nur am Rande vor.

Gerade durch die Beschreibungen aus der Vergangenheit wird auch klar, dass die Ehe nicht immer harmonisch war und es Krisen gab, die beinahe zum Zerbrechen der Beziehung geführt haben. Auch hier ein starker Kontrast zu heute. Bei jeder dieser Situationen würde heutzutage sicherlich jeder schreiben, dass die Beziehung keinen Sinn mehrmacht und man sich was Neues suchen soll. Eine Partnerschaft ist doch nicht solchen Ärger wert, du liebst ihn nicht mehr, so was kann man doch nicht verziehen etc. etc.  

Sowas würde von jeder Ecke gerufen kommen. Einfach gehen, der oder die nächste kommt ja bestimmt.

Doch Eva und Dieter blieben zusammen und standen es durch. Keine von ihnen bereut ihre Entscheidung und eine ihrer größten Angst ist nun, dass einer vor dem anderen stirbt, sodass jemand zurückbleiben muss.

Es kamen Momente der Tränen und ohne Melodram berührt die Dokumentation das Herz und zeigt uns eine von vielen Dingen, die diese schnelllebige Gesellschaft verloren haben. Eine lebenslange Ehe ist kein Hindernis und kein Strang verpasster Gelegenheiten, sondern auch etwas wirklich Wertvolles, was man nicht verteufeln sollte.

Mag sein, dass jeder im Tod allein ist, aber macht es nicht doch einen Unterschied ob auf den Weg dahin jemand einem die Hand hält oder nicht?

Perfect Days von Wim Wenders 

Glücklichsein im Wenigen. Zufriedenheit in der Bescheidenheit.

Die Hauptfigur Hirayama (Kōji Yakusho) lebt in Tokio in einer kleinen Wohnung ohne Badezimmer. Er arbeitet als Kloputzer für die vielen öffentlichen Toiletten in Japan, die ich selbst schon kennenlernen dürfte.

Ich werde nicht durch jedes Detail seines Alltags gehen, aber es sollte betont werden, dass auch die kleinen Handlungen wichtig sind. So kauft er sich jeden Morgen ein Koffeingetränk aus einem Automaten außerhalb seines Hauses, geht nach der Arbeit zu einer speziellen Bar, wo man ihn schon kennt, besucht ein bestimmtes Bad etc.

 Im Gegensatz zu seinem Mitarbeiter nimmt er seine Arbeit als Toilettenputzer ernst und ist sehr gewissenhaft – etwas, was man hier in Deutschland zunehmend mehr vermisst. Er erwartet kein Dank und wird meist wie Luft behandelt – Teil der Einrichtung wie das die Handseife oder das Türschloss. Trotzdem lässt er nie nach oder wird schlampig.

Durch mehrere Tage der Film. Es gibt keinen richtigen Anfang oder Ende. Keine Konflikte werden wirklich gelöst oder eine bessere Zukunft versprochen. Man wird einfach in das Leben dieses Menschen geworfen und am Ende wieder herausgenommen.

Es wird klar, dass er sich dieses Leben freiwillig ausgesucht hat und er wird auch mit seiner Vergangenheit konfrontiert, doch der Zuschauer erfährt nie genau was passiert ist.

Es hat durchaus etwa Zen-Haftes und Meditatives, seinen Alltag zu betrachten, auch wenn sich alles wiederholt. Die kleinen Unterschiede machen es. Die Routine ist gleich, aber trotzdem passiert etwas. An einigen Tagen hat er besonders glückliche Momente. Manchmal gibt es aber auch schlechte Tage, wo er sich wie alle anderen ärgert oder frustriert ist, weil alles schiefgeht. Er ist zwar größtenteils zufrieden, aber kein Mönch, an dem alles Schlechte aalglatt abgleitet. 

Die Botschaft ist simpel wie der Film selbst. Kleinere Dinge im Leben genießen und Ruhe in einem geregelten Alltag finden. Er sucht nicht nach dem nächsten Nervenkitzel oder besser bezahlte Arbeit. Er ist glücklich da, wo er ist.

Die Stoiker und auch die frühen Epikureer haben so ähnlich gedacht. In der Einfachheit ist man unangreifbar, da man weniger zu verlieren hat.

Hier ist dann vielleicht eine kleine Kritik von mir. Hirayama ist vermutlich eine idealisierte Figur und auch er kommt am Ende durchaus an die Grenzen seines selbstgewählten Lebens. Der Regisseur erwartet sicher nicht, dass jeder nach dem Gucken in eine billige Wohnung zieht und danach Raststätten säubert. Ein wenig Zurückfahren und die eigenen Verhältnisse tut sicher häufig gut.

Doch wo wäre die Welt ohne Menschen, die hochstreben – auch wenn der Fall dann ziemlich wehtun kann?

Es kann auch sein, dass jeder verschiedene Aspekte von Hirayama für sich herausnimmt. Die eigene Arbeitsmoral z.B. verbessern. Eine gesunde Alltagsroutine aufbauen. Oder jeden Sonnenaufgang mit einem Lächeln begegnen.

Fazit:

Zu einem gewissen Grad widersprechen sich die beiden Filme. Perfect Days ist auf das Selbst gerichtet und wie man aus dem Inneren heraus auf die Welt reagiert. Für Immer befasst sich damit wie man gemeinsam dem Unaufhaltsamen entgegentritt.

Was ist nun zu empfehlen?

Beides natürlich.

Das Leben mag nicht immer leicht sein und natürlich wird man wütend und traurig sein in gewissen Momenten. Doch man kann entscheiden, ob man sich davon niederreißen lässt oder nicht. Hirayama zeigt, wie man für sich voranschreitet, während Eva und Dieter zeigen, wie schön es ist auf dem Weg jemanden zu finden und gemeinsam die Ziellinie zu erreichen. 

Weitab all des Nihilismus und der Destruktion dieser Zeit ist es zumindest schön Filme zu sehen, denen eine zynische Ader fehlt und die mehr zeigen, worauf es im Leben ankommen sollte.       

Für Immer & Perfect Days – Zwei Filme über das Leben

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