Über das Buch: Ach, Dostojewski

Es war auf einer Büchermesse in Berlin. Viele Autoren versuchten ihre aus Leidenschaft geschriebenen Werke an den Mann zu bringen. Ich hatte ein Ticket für einen der beiden Tage gekauft Ich rannte versehentlich in ein Filmset, schlürfte schlechten Kaffee und überlegte wie viel Geld ich eigentlich ausgeben wollte an dem Tag.

Während ich meine zweite oder Runde durch die Halle machte, fiel mir ein bestimmter Stand ins Auge oder besser ein Name, der dort prangte: Dostojewski. Erst dieses Jahr (2023) hatte ich seine Gebrüder Karmasow gelesen und war begeistert gewesen. Also ging ich darauf zu und kam mit einem älteren Herrn ins Gespräch.

Michael Wohlfahrt ist der Autor. Christlicher Geistlicher im Ruhestand, der nun Bücher schrieb und veröffentlichte. Besonders wichtig war ihm dies im Angesicht des Ukraine-Krieges, wo mitunter eine Verteuflung russischer Kultur geschah, die er kaum erträgt.

An diesem Tag präsentierte er sein lange in Arbeit gewesene Werk Ach, Dostojewski.

Teilweise will er mir das Buch umsonst geben, wenn ich auf meinen Blog was dazu schreibe. Beinahe schockiert über diesen Vertrauensvorschuss lehne ich hastig ab. Da ich allerdings bei ihm nicht mit Karte zahlen kann, überweise ich ihm den Beitrag dann per Online-Banking und nehme sein Ach. Dostojewski mit auf meine Reise in Fernost, wo es Begleiter beim ersten Teil meiner Reise wird.

Es ist ein Dichterband, wo der Autor selbst eine Rolle einnimmt und mit Dostojewski, der in der heutigen Zeit aufgetaucht ist, spricht. Aufhänger ist der Tatort-Film „Märchenwald“ aus dem Jahr 1998, wo beide wissen wollen, wie es nach Abschluss der Haupthandlung weitergeht. Nach einem kurzen Besuch im Theater, begleiten sie dann die erwachsen gewordene Protagonistin über das Meer nach Amerika.

Da der Autor selbst in der DDR aufwuchs, wo Religion es etwas schwerer hatte, berichtete er auch von seinen Erfahrungen von dort.

Die Dialoge und Monologe mit Dostojewski behandeln verschiedene Themen. Was ist das Wesen der Deutschen und Russen? Gibt es Moral ohne Glauben? Die Fragilität der Demokratie?

Dabei trifft er einige interessante Beobachtungen von Symptomen der heutigen Zeit, die auf zugrunde liegende Probleme hindeuten. So beschreibt er wie Kinder heute keine ordentliche Handschrift mehr beigebracht bekommen. Als jemand mit einer Sauklaue hat mich dies persönlich getroffen. Fähigkeiten gehen verloren. Trotz Handys und GPS finden sich zwei Leute nicht, irren umher, während es früher feste Treffpunkte gab, die jeder kannte und wo man einfach aufschlug.

Er vergleicht das Dritte Reich mit der stalinistischen Sowjetunion und wie sie zwei Seiten derselben Medaille sind (Rasse und Klasse).

Als Geistlicher befasst er sich auch mit der Suche nach Gott. Diese Suche mündet für ihn in eine Grenzerfahrung und zieht dabei direkt die Innerdeutsche Grenze mit Stacheldraht als Gleichnis heran.

Die Verse ziehen einem teilweise mit und sich mitunter sehr mitreißend.

Man könnte all dies natürlich als das Meckern eines alten Mannes nehmen, wo früher alles besser war. Immerhin haben die alten Griechen dies schon getan. Allerdings sind deren Zivilisationen letzten Endes auch untergegangen. 

Bei einer dazu sehr passenden Stelle beschreibt er wie jede Generation aus den Fehlern der Vorangegangen lernt und dabei dann neue Fehler entfacht.

Beispiel aus dem Buch: Die Liebe wurde liberalisiert. Erotik ist mehr denn je in der Öffentlichkeit. Doch dafür ging das Zarte und Schüchterne in der Liebe (Eros) teilweise verloren. Woanders wurde mal geschrieben, dass heutige Beziehungen im Grunde kaum mehr als temporäre, inoffizielle Verträge zwischen zwei Erwachsenen sind. Die Liebe ist frei, doch Einsamkeit hat noch nie so stark um sich gegriffen.

Eine faszinierende und einzigartige Erzählung aus Dichtkunst, Dialog, Reflexion, ein wenig Fanfiction und Sinnsuche.

Selbst wenn man normalerweise keine Lyrik liest, kann ich Ach, Dostojewski empfehlen. Es ist größtenteils klar, was kommuniziert werden soll. Es ist nicht lang, aber sehr dicht an Themen und interessanten Handlungsideen.

Auch ist der Autor Michael Wohlfarth eine sehr nette und gutherzige Persönlichkeit, die man so heute kaum noch findet.

 Hier kann man das Buch erwerben.

Über das Buch: Ach, Dostojewski