Pragmatismus – Deweys Suche nach Gewissheit

In diesem Artikel mit dem uninspirierten Titel will ich mich weiter mit der Philosophie des Pragmatismus beschäftigen und wie im letzten Teil auf John Dewey Bezug nehmen. Wie schon vermutet geht es hier um sein Buch „Die Suche nach Gewissheit“, wo genau das gemacht wird, was die Überschrift beschreibt. Gleichzeitig ist es aber die Auseinandersetzung mit einem Konflikt, der den Geist der Menschen schon lange teilt.

Dewey geht zuerst auf die simple Erkenntnis seiner Vorgänger ein, dass Menschen nicht gerne im Zweifel sind, sondern sich stattdessen nach Gewissheit/Überzeugtsein sehnen. Pierce hat bereits drei Möglichkeiten genannt wie solch eine Überzeugung zustande kommen kann: Autorität, Vernunft oder die wissenschaftliche Methode. Dewey widmet sich sich den letzteren beiden. Um sich Gewissheit zu verschaffen verlassen sich Menschen häufig auf abstrakte Theorien, die eine gewisse ewige, allumfassende Qualität besitzen. Die eigentlich viel näher am Leben gelegenen, aber dafür meist sehr flüchtigen, praktischen Erfahrungen werden dabei vergessen. Es soll erinnert werden, dass momentane Erfahrungen jederzeit von neuen ersetzt werden können, wenn die Situation dies verlangt. Keine Erkenntnis im praktischen Handeln ist meist von Dauer. Doch gerade Dauer ist etwas was Menschen wollen. Sie wollen ein Konstrukt, was sowohl heute als auch noch in tausend Jahren noch gültig sein wird. Ein weiterer Vorteil von geistiger Theorie besteht darin, dass ein Irrtum niemals Konsequenzen im richtigen Leben haben wird. Ein praktischer Irrtum dagegen hat immer Konsequenzen auf das eigene Handeln. Ein gutes Beispiel wäre vielleicht ein Atomreaktor. Man ist meist nur daran interessiert, dass er funktioniert und Strom erzeugt. Plötzlich zeigt sich aber, dass die physikalische Theorie auf die er aufbaut einen Fehler haben. Nun muss zwar der Rechenschieber wieder ausgepackt werden, doch wird es wirklich die Menschen großartig interessieren, solange der Reaktor trotzdem noch irgendwie Strom erzeugt? Er funktioniert ja, trotz des theoretischen Fehlers!

Es geht nicht darum wie das Feuer entsteht, sondern darum dass Feuer überhaupt ensteht.

Dieses Bild hat vielleicht noch einige Hänger, an denen man sich ärgern kann. Deswegen noch eine klarere Unterschied zwischen Empirie und Theorie.

  • Empirische Erfahrung: Bei einer auszuführenden Handlung greift man auf früheres Wissen zurück. Man wiederholt etwas, was in der Vergangenheit bereits funktioniert hat. Man weiß, dass es funktioniert, aber nicht wieso es funktioniert. Dies ist auch einer der Gründe, wieso diese Art von Erfahrung keinen guten Ruf besitzt. Es ist oberflächlich und packt die Sache nicht an die Wurzel.
  • Experimentelle Erfahrung: Im Gegensatz zu dem Obigen wird hier den Gründen nachgegangen, wieso etwas geschieht, wie es geschieht. Man forscht hier der Empirie hinterher

Dies sind zwei sehr verschiedene Sichtwinkel. Der experimentelle Wissenschaftler sieht die Welt in Form von Symbolen und Formeln, die man entschlüsseln will. Wasser ist dann nicht Wasser, sondern H2O, was man in seine Bestandteile auflösen kann. Bei der empirischen Erfahrung ist Wasser einfach Wasser, was man zum kochen benutzen kann. Wieso es kocht ist dabei selten von Interesse, solange es einfach nur funktioniert. Und darum geht einfach. 99% der Menschen reicht es, wenn die Dinge einfach funktionieren und sie sich auf ihre Erfahrungen verlassen können. Die experimentelle Erfahrung ist natürlich auch wichtig, aber Dewey geht es häufig nicht um Wissenschaft, sondern um den Alltag der Menschen und ihre dortigen Handlungen. Besonders in der Kunst braucht man ja meist mehr einen Blick für die Natur an sich und nicht die atomare Zusammensetzung dessen. Ein Gedicht soll die Schönheit eines Windhauchs einfangen und nicht wie dieser meteorologisch zustande kommt.

In einer Erkenntnis kulminiert all dies. Diese beginnt mit der rohen, sinnlichen Erfahrungen die man mit der Außenwelt macht. Die Erfahrung wird erfasst, gesammelt und man beginnt anhand dieser Eindrücke Experimente zu vollführen um zu versuchen das ganze zu verstehen. Dies zieht neue Erfahrungen nach sich. Durch die Vernunft schließlich versucht man all diese Erfahrungen zu interpretieren, was eine theoretische Idee hervorbringt, nach der man sich Zukunft richten kann. Die eigentlichen Beweise für diese Theorie können aber nur von der sinnlichen Ebene kommen und nicht aus der Theorie selbst. Die Vernunft prüft nur die Beweise.

Um all dieses Kauderwelsch vielleicht irgendwie verständlich abzuschließen: Der Mensch ist kein überirdisches Erkenntniswesen, sondern nur ein endliches Erfahrungswesen. Mit Erkenntnis versuchen wir anhand der unmittelbaren Wahrnehmung eine Methode zu finden, die uns das Interagieren mit einem weltlichen Phänomen erleichtert. Die göttliche, platonische Idee – sofern existent – ist wegen unserer Mängel nicht erreichbar. Die ewige Gewissheit, die Weltformel für alles, wird sich nie gänzlich feststellen lassen. Wie schon gesagt, selbst wenn wir sie finden, so bleibt immer der nagende Zweifel doch falsch zu liegen. Das Ewige ist beständig, doch wir können uns niemals gänzlich sicher sein ob all die scheinbare Beständigkeit um uns herum wirklich auch so in Stein gemeißelt ist wie es erscheint. Die Sonne kann noch eine Milliarde Mal aufgehen und sich dann plötzlich einfach weigern über den Horizont zu kriechen. Jede gefundene Methode muss in der Erwartungshaltung benutzt werden irgendwann ersetzt zu werden.

Des weiteren sind wir Menschen nicht nur Wesen, die ein Durst nach Gewissheit treibt, sondern auch eine Kreatur mit einem Sinn für Schönheit im Sinnlichen.

Und auf dieses Sinnliche werde ich auch bald eingehen.

In diesem Sinne beende ich diesen Artikel.

Ich hoffe er verständlich und hat den Lesern guten gefallen.

Stuart A. Smith

Menschen im Alltag, sich unbewusst auf ihre Erfahrungen verlassend.

Quellen:

Dewey, John. Die Suche nach Gewißheit. Übersetzt von Martin Surh.1. Auflage. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1998

Hampe, Michael. Die Bedeutung der Lebenserfahrung für die Methode der Philosophie, In: John Dewey: Erfahrung und Natur, editiert bei Michael Hampe, De Gruyter Verlag 2017

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