Auf dem Schiff

Es war bei ruhiger See, als sich die Kolonisten unter Deck des gewaltigen Schiffes zusammenfanden. Öllampen hingen von der Decke und erzeugten einen begrenzten Lichtkreis, in den nun einige ausgewählte Gestalten traten. Im Schatten verblieb der Rest der Gemeinschaft schweigend und wartend, die Gesichter unsichtbar.

Die Balken knirschten unter den Füßen und der gesamte Raum wippte ein wenig in den kleinen Wellen dieses windlosen Tages. Es roch nach Salz und Schweiß.

Ein Mann mit weißem Bart und einer Glocke in der Hand betrachtete die Gruppe vor sich. Mit Ausnahme von den Wachen oben auf dem Deck waren alle anwesend. Es konnte also beginnen.

»Ich bin der Kapitän dieses Schiffes«, sprach er. »Ich weiß, wie man die Segel hisst, die Ruderer motiviert und einen Sturm überlebt. Ich wurde dazu bestimmt, uns ans Ziel zu bringen. Doch die Art dieses Ziels steht noch offen und meine Aufgabe besteht nicht darin, einen Kurs für mich allein zu wählen. Dies obliegt uns allen gemeinsam. Wir haben bekannte Gefilde verlassen und jenseits der Felsen, in deren Schatten wir gerade ankern, weiß auch ich nicht was uns konkret erwartet. Wir haben nur alte Karten und Berichte aus den Städten, an denen wir bisher angelegt haben. Es ist nur brüchiges Wissen, doch anhand dessen müssen wir nun entscheiden, wohin wir steuern und letzten Endes siedeln wollen. Als Kapitän werde ich der Leiter dieser Diskussion sein und dafür sorgen, dass alles seinen geregelten Gang geht. Wo all dies nun gesagt ist, verschwenden wir keine weitere Zeit und beginnen umgehend. Protokollant, sind Feder und Tinte bereit?« 

»Ja«, kam die Antwort hinter ihm.

»Gut. Wer will nun beginnen?«

Ein kurzes verlegenes Schweigen überkam den Raum. Nervöse Blicke wurden getauscht und hier und da scharrte ein Fuß.

»Ich schlage vor«, begann ein älterer Herr in einer weißen Toga, »dass wir nach Nordwesten segeln, da…«

»Wieso sollten wir weiterhin auf dich hören«, wurde er von einem Hünen unterbrochen, dessen Brustpanzer im faden Licht glänzte. Es war der General der Schutztruppen der Expedition.

»Ich war Mitglied des Regierungskonzils unserer Heimat und ich habe all dies finanziert und organisiert«, war die nervöse Antwort. »Ohne mich wäre niemand hier und ich besitze die Autorität…«

»Aye«, fuhr ihm der General wieder dazwischen. »Dank dir konnten wir unsere Heimat verlassen, um woanders neu anzufangen. Deswegen schulden wir dir durchaus Dank. Aber dies ändert nichts daran, dass jede deiner Entscheidung seit unserem Aufbruch uns in große Notlagen gebracht hat.«

»Das stimmt«, kam es von der Sprecherin der Mütter, »vier Säuglinge wurden uns von Sklavenhändlern gestohlen, als wir auf seinen Vorschlag hin an der grünen Insel ankerten. Er war davon überzeugt, dass niemand sich an eine so große Gruppe heranwagen würde. Ha! Und jetzt weinen wir bittere Tränen.«

»Und was ist mit der Silberstadt, wo wir ankerten, da er dort angeblich Freunde besaß«, fügte der Sprecher der Handwerker hinzu. »Es stellte sich heraus, dass diese Freunde die Beziehung anders sahen und mit Schwertern das Geld einforderten, was er ihnen schuldete. Einem unserer Lehrlinge wurde in dem Gerangel die Hand abgehackt. Nun kann er den Beruf nie ausführen.«

»Und die fünf angeblichen Goldschmiede, die er in der Kanalstadt aufgesammelt hat«, kam es nun vom Schatzmeister. »Er dachte, sie wären eine gute Ergänzung für unsere Expedition, doch stattdessen haben sie schon in der ersten Nacht Teile unseres Silbers gestohlen und sich von Bord geschlichen.«

Erregtes Gemurmel breitete sich in der Menge aus, als all dies ausgesprochen wurde. Das ehemalige Konzilmitglied schwitzte mehr und mehr.

»I-ich besitze die Autorität«, begann er langsam.

»Deine Autorität hast du aufgegeben, als du deine Position verlassen hast und mit uns auszogst«, erwiderte der General kalt. »Du hast uns nichts mehr zu sagen und nach alldem, was geschehen ist, wäre es fahrlässig von uns, dich weiter anzuhören.«

»Ich…«

»Ich würde direkt nach Norden segeln«, fuhr der General fort und schnitt damit dem ehemaligen Konzilmitglied endgültig das Wort ab. »Das Land an der dortigen Küste ist fruchtbar und die Wälder besitzen gutes Holz.«

»Leben aber dort nicht schon Menschen?«, fragte der Sprecher der Bauern vorsichtig.

»Ja, aber es sind Schafshüter mit Steinschleudern. Wir können sie mühelos vertreiben und uns nehmen, was wir brauchen. Gegen unsere Rüstungen und Schilde sind sie machtlos.«

»Krieg also? Unsere jungen Männer sterben sehen? Und falls wir es nicht schaffen, jeden einzelnen von ihnen zu töten?«

»Das wäre auch gut«, antwortete der General ungebrochen. »Wenn wir ständig um unser Land kämpfen müssen, so werden unsere Schwerter und Seelen niemals stumpf. Die Gefahr, dass wir eine schwächliche Handelsrepublik werden, besteht so nicht mehr. In Stahl und Blut werden erst große Menschen geboren und falls eines Tages jemand anderes kommt, um uns zu vertreiben, so werden wir bereit sein. Ich kann viele Beispiele aus der Geschichte nennen, wo aller Reichtum und Philosophie nichts ausrichteten gegen Wilde mit Schwertern.«

»Kriegstreiber wie du haben immer dieselben einfältigen Gedanken«, sagte der Führer der Gelehrten dazu nur. »Gerade wegen solchen Leuten wie dir, wollten wir doch unsere Heimat verlassen. Genug der Gewalt und Fehden.«  

»Wohin sollen wir denn deiner Meinung nach segeln?«, erwiderte der General kühl.

»Südwesten«, kam geschwind die Antwort von dem Weisen. »Dort befindet sich eine natürliche Bucht, in der mein Meister früher die Sterne kartografiert hat. Das umliegende Land mag zwar eine Wüste sein, aber im Hinblick auf die bereits bestehenden Kolonien an anderen Stellen der Küste, werden wir zu einem Knotenpunkt des Handels. Dies ist sicher. Die Geografie und unsere Beobachtung von menschlichem Verhalten lassen keinen anderen Schluss zu. Es gibt keinen idealeren Ort dafür. Weiterhin habe ich bereits Berechnungen angestellt anhand der Berichte des umliegenden Landes von meinem Meister. Ich bin überzeugt, dass wir in den Hügeln unweit der Bucht unterirdische Flüsse finden werden. Die aufgezeichneten Oasen und ihre Verteilung lassen ebenfalls keinen anderen Schluss zu. Wasser zur Begründung des Landes finden wir also vor.«

»Und bist du sicher, dass die Berichte deines Meisters vertrauenswürdig sind?«, fragte erneut der Sprecher der Bauern. »Nicht, dass wir dort ankommen und unsere Brunnenschächte nur trockenen Sand hervorbringen.«

»Absolut«, entgegnete der Gelehrte und betrachtete den anderen Sprecher beinahe mit Verachtung. Für ihn war es eine Beleidigung auch nur an seinem Lehrer zu zweifeln. »Wir in den Kreisen der Gelehrten lügen niemals und versuchen unsere Aufzeichnungen so genau wie möglich zu halten, damit zukünftige Generationen nicht in die Irre geführt werden und von uns lernen können. Allein die Unterstellung, dass seine Berichte falsch sein könnten, ist ein Frevel.«

»Verstehe«, meinte der Sprecher der Bauern mit gedehnter Stimme. »Und was ist mit deinen Berechnungen? Bist du sicher, dass sie fehlerfrei sind?«

»Natürlich, ich habe sie umfänglich von meinen Kollegen prüfen lassen. Dort gibt es Wasser. Zweifellos. Ich kann gerne meine Methodik hier aufzeigen.«

»Dies ist gut zu wissen, aber fürs erste…«

»Glaubt mir, sobald ihr die Perfektion der Zahlen sieht und wie sehr es die Gewissheit unterstreicht, dass es dort Wasser geben muss, so brauchen wir keine Diskussion mehr führen. So basiert all dies auf die Grundlage von der Verteilung von Oasenstädten im Osten, die in einem ähnlichen Gelände… Ah, wartet, ich hole meine Unterlagen. Die Logik gebietet, dass es keinen besseren Ort zum Siedeln gibt! Die Logik, sage ich euch!«

»Bitte verlass nicht den Kreis aus Licht«, hielt ihn der Kapitän auf und hob warnend seine Hand. »Die Diskussion ist noch nicht beendet.«

»Aber die Bucht im Südwesten ist perfekt sage ich euch! Perfekt! Die Berichte meines Meisters und meine Berechnungen belegen dies!«

»Es mag ein perfekter Ort sein oder auch nicht, aber trotzdem ist es nicht entschieden, ob wir wirklich dort siedeln wollen oder nicht.«

»Natürlich Handel«, brummte der General. »Fette Kaufleute werden wir dort, die sofort beim ersten Barbarensturm einknicken. Pah.«

Eine kurze Pause entstand in der Diskussion, wo nur das Kratzen der Feder vom Protokollanten zu hören war.

»Ist im Südosten nicht auch eine kleine Insel?«, begann dann der Kundschafter vorsichtig, »über du die einige Male mit mir bei einem Wein geredet hast? Dein Meister ist damals nur daran vorbeigesegelt, aber er hat vermerkt, dass in dem Wasser dort ziemlich einzigartige Schildkröten schwammen, oder? Er stellte die Theorie auf, dass es dort eine einzigartige Flora und Fauna gibt. Hast du nicht gesagt, du wolltest alle Tiere und Pflanzen dort untersuchen und jede Möglichkeit nutzen, um dorthin zu segeln?«

»D-das war nur der Wein, der aus mir gesprochen hat«, entgegnete der Gelehrte, dessen Stimme nun plötzlich an Festigkeit verlor.

»Also existiert diese Insel nicht?«

»Versuchst du mich zu verleugnen? Willst du mich in eine Ecke drängen, Waldmann?«

»Ich wuchs in einer Steppe auf«, erwiderte der Kundschafter darauf. »Und sonst durchstreifte ich meist Berge oder befuhr das Meer. Existiert nun die Insel oder nicht?«

Eine ärgerliche Miene überkam nun das Gesicht des Gelehrten. Er knirschte mit den Zähnen und ballte seine Fäuste. Schließlich wandte er sich an den Kapitän: »Siehst du nicht, wie er versucht, mich in Unrede zu stellen, da er nicht in der Lage ist gegen meine Fakten zu argumentieren? Ich brauche nicht auf diesen Unsinn zu antworten!«

»Du kannst eine Antwort verweigern, ja«, sprach der Kapitän unbeeindruckt. »Aber seine Fragen kannst du nicht verhindern. Bedenke also, wie dein Handeln auf den Rest der Zuhörer wirkt.«

Ein nervöses Zucken kam nun in die Gesichtsmuskulatur des Gelehrten und seine Augen huschten in die Dunkelheit, wo die Menge wartete. Nach einigen Sekunden gab er dann ein frustriertes Seufzen von sich und er lockerte seine Hände. »Es ist wahr, dass sich auf der Route zu der Bucht eine Insel befindet, die eine uns unbekannte Tier- und Pflanzenwelt besitzt. Demjenigen, der all die faszinierenden Lebewesen dort verzeichnet, wird große Ehre zuteilwerden in den Hallen der Wissenschaft. Ich gebe zu, dass ich diese Ehre gerne für mich in Anspruch nehmen würde. Dies bedeutet aber nicht, dass meine Erkenntnisse bezüglich der Bucht falsch sind. Wie gesagt werde ich jedem die Berechnungen offenlegen, der danach fragt. Wie heißt das alte Sprichwort? Zwei Fliegen mit seiner Sandale erschlagen! Und die Aussage, dass ich diese faszinierende Insel um jeden Preis besuchen will, war nur eine Übertreibung, die ich im Alkohol von mir gegeben habe, mehr nicht.«

»Als ob irgendeiner von uns deine dämlichen Zahlenformen verstehen könnte«, knurrte der General und wandte sich an den Kundschafter. »Und was ist mir dir? Ich sehe doch, dass du mehr sagen willst? Hast du auch eine Richtung für uns?«

»Westen«, antwortete der Kundschafter, ohne zu zögern. »Immer weiter nach Westen, jenseits der Säulen des Allvaters.«

»Die Säulen des Allvaters?«, kam es atemlos von dem Sprecher der Tischler und viele weitere Anwesende wurden wie er blass. »Die heiligen Klippen? Befindet sich jenseits davon nicht der endlose Ozean? Willst du uns in den Tod bringen?«

»Niemand weiß, ob der Ozean wirklich endlos ist«, erwiderte der Kundschafter bestimmt. »Tatsächlich gibt es Gerüchte, dass sich jenseits der hohen Wellen unentdecktes Land befindet. Alte Aufzeichnungen von Schiffbrüchigen bestätigen dies.«

»Die habe ich auch gelesen«, sagte der Gelehrte. »Doch es könnten genauso gut Wahnvorstellungen von Irren sein, die monatelang auf dem Meer gestrandet waren, bevor die Winde sie gnädigerweise zurück zu unseren Ständen spülten.«

»Dies mag sein«, stimmte der Kundschafter mit einem Nicken zu. »Ich bestreite nicht, dass im Westen nur Hunger und Tod auf uns warten könnten. Doch gleichzeitig ist dort auch ein Horizont, der bisher von kaum jemandem überschritten wurde. Wir alle haben unsere Heimat verlassen, weil wir enttäuscht waren oder schlimmen Erfahrungen entkommen wollen. Wir sahen keine Zukunft mehr dort. Jeder hat seine eigenen Gründe. Doch wer weiß, wie lange es dauert, bis unsere Vergangenheit uns einholt in diesen Gewässern? Wir sind nicht die einzigen Kolonisten und wer kann garantieren, dass nicht irgendwann in unserer Nachbarschaft diejenigen Mächte siedeln, mit denen wir eigentlich nichts mehr zu tun haben wollten? Deswegen schlage ich vor, die alte Welt zu verlassen. Ich besitze keine Gewissheit und keine mathematischen Modelle, um zu garantieren, dass uns ein Paradies jenseits des großen Ozeans erwartet. Es ist ein Wagnis, doch haben die alten Helden der Legenden nicht auch die Götter besiegt, indem sie den Mut aufbrachten unbekannte Berge zu erklimmen und rätselhafte Wüsten zu durchqueren? Die allersten Kolonisten unseres Volkes, die damals ihre Heimat aufgaben, wussten wohl auch nicht, was sie erwarteten. Manche der Expeditionen scheiterten, doch andere führten zu Städten, die nun in Gold schwimmen. Meinen Stamm in der Steppe verließ ich einst, weil ich mich fragte, was jenseits des Horizonts des Graslandes auf mich wartete. Dieselbe Frage treibt nun mich voran, die Welten jenseits der Säulen des Allvaters zu erkunden. Stellt euch das vor! Wir wären die ersten, die nicht nur völlig neue Kontinente entdecken, sondern diese auch gleichzeitig kolonisieren! Wir könnten etwas völlig Neues erschaffen, endgültig frei von den Ketten unserer Heimat! Wir Wahnsinnigen, die es wagten, dem Unbekannten zu trotzen, während alle anderen im Bekannten und Vertrauten versauern. Deswegen sage ich vorwärts! Ich vertraue in dieses Schiff, was aus den Händen unserer talentierten Zimmerer stammte. Ich vertraue unserem langjährigen Kapitän, dass er uns selbst durch die wildesten Meere führt. Ich vertraue euch allen, dass wir gemeinsam jedes Hindernis überwinden können. Auf! Auf zu neuen Welten!«

Damit hatte der Kundschafter alles gesagt und er trat einen Schritt nach hinten, sodass er halb in dem Schatten verschwand. Eine atemlose Stille legte sich über den Raum. Schließlich begann der General laut zu lachen.

»Das gefällt mir!«, sagte er dann. »Mut und Verwegenheit! Ja, das gefällt mir. Und wenn man unterwegs einigen Wassergeistern und Dämonen den Schädel einschlagen kann, bin ich noch viel eher bereit.«

»Deine Gedankengänge und Triebe sind so offensichtlich wie eh und je«, seufzte der Gelehrte. »Und ich bevorzuge es nicht, in einen beinahe sicheren Tod geführt zu werden.«

»Feigling!«

»Du weißt, dass hier Frauen und Kinder auf dem Schiff sind, oder?«

»Ruhe! Kein Streit hier«, rief der Kapitän und läutete einige Male die Glocke, da merkte, wie sich die Gemüter erhitzen. Das laute Geräusch erstickte schnell alle aufbrausenden Gefühle. Als die Ruhe sichergestellt war, warf er jedem Beteiligten einen prüfenden Blick er. »Hat noch jemand etwas zu sagen?«

»W-wenn ich wieder das Wort ergreifen darf?«, fragte das ehemalige Konzilmitglied.

»Nein, darfst du nicht«, antwortete der General anstatt des Kapitäns. »Das haben wir schon geklärt. Wir brauchen keine deiner dummen Ideen!«

»Trotzdem würde ich gerne meinen Vorschlag unterbreiten!«

»Und wer will deinen Vorschlag hören?« Diesmal sprach der General zu allen anderen Anwesenden. »Wer will erneut von diesem Mann, der uns schon so viel Unglück bereitet hat, etwas hören? Nein, du hast genug gesprochen. Du hast uns nichts mehr zu sagen. Schweig.«

Das letzte Wort des Generals war wie ein Donnern, das in dem Schiffsraum lange nachhallte. Das ehemalige Konzilmitglied wirkte zurückgestoßen, öffnete kurz den Mund, konnte aber unter dem bohrenden Blick seines Gegenübers nichts erwidern. Hier und da konnte man in der Menge ein zustimmendes Nicken erahnen. Auch ein Fluch wurde gemurmelt.

Damit schien die Entscheidung gefallen und die nächste Phase der Diskussion konnte beginnen. Zumindest dachten das beinahe alle.

Doch dann hob sich allerdings ein Arm und die Sprecherin der Priesterschaft ergriff das Wort. »Ich würde ihn gerne anhören.«

»Wieso?«, entgegnete der General. »Stimmst du etwa mit seinen alten, katastrophalen Entscheidungen überein?«

»Ganz und gar nicht. Tatsächlich zweifel auch ich an, dass ein sinnvoller Vorschlag von ihm kommen wird. Trotzdem hat er aber ein Recht hier zu sprechen. Dies ist heiliger Grund, den wir gesalbt haben, wie einst die Marktplätze und öffentlichen Hallen unserer Heimat. Ein jeder, der hier steht, darf sprechen. So ist es und so soll es immer sein. Also sprich.«

Der General wollte erneut etwas sagen, doch die Sprecherin der Priesterschaft hob ruckartig ihren Arm, um ein weiteres Wiederwort zu verhindern. Mit der freien Hand machte sie eine auffordernde Geste zum ehemaligen Konzilmitglied.

Dieser war zuerst unsicher und war sich all der feindseligen Blicke auf sich bewusst. Schließlich aber griff er in seine Toga und warf dann etwas Schimmerndes vor sich auf den Boden. Es waren Stücke aus Silbererz.

»Ich bestreite nicht meine Fehler«, begann er dann. »Ich bitte auch nicht um Verzeihung, da einige meiner Entscheidungen solche gravierenden Konsequenzen hatten, dass es unverzeihlich ist. Ich spreche jetzt zu euch nicht als ehemaliges Mitglied des Konzils, sondern als Mann, der sich nur die beste Zukunft für uns alle wünscht. In der Kanalstadt, wo wir bestohlen wurden, habe ich auch einige persönliche Angelegenheiten geklärt, die ich nun hier offenlegen werde. Es gab nämlich Gründe, wieso ich euch zu den Orten brachte, die uns so viel Unglück brachten. Die Sklavenjäger der grünen Insel, die Wracks bei den schroffen Felsen der Mitternachtsklippen, die Schuldner in der Silberstadt und schlussendlich die Kanalstadt. Ich habe nämlich Hinweise meines Bruders verfolgt, der schon vor über zehn Jahren unsere Heimat verlassen hat und den ich seitdem nicht mehr gesehen habe. Dies war wohl egoistisch von mir und nie hätte ich erwartet, was für schreckliche Ereignisse diese Route über uns bringen würden. Wenn ihr deswegen wünscht, mich ohne Verpflegung hier auf den Felsen zu lassen, so werde ich das Akzeptieren. Aber meine Suche war erfolgreich! Mein Bruder ist leider verstorben, doch ich konnte seinen Nachlass in der Kanalstadt finden, wo neben dieser Silbernuggets auch dies war.« Er warf nun auch ein Stück Pergament auf den Boden. »Ein Bericht meines Bruders von einer Expedition, die er zu den schroffen Küsten in den Nordwesten unternommen hat. Die Beschreibungen mögen zwar nicht so detailliert und geordnet sein, wie diejenigen vom Meister unseres obersten Gelehrten hier, aber es ist offensichtlich, dass er Silber dort gefunden hat. Unangetastete Adern. Dazu erwähnt er einige geschützte Buchten und Land, das ideal ist für die Olivenzucht. Er berichtet zwar von einigen Zusammentreffen mit Banditen und Piraten, die dort Unterschlupf suchen, aber dies wird unseren General hier sicherlich sehr freuen. Unsere Schwerter werden in solch wilden Gebieten nicht stumpf. Weiterhin ist diese Küste an dem Rande der uns bekannten Welt, sodass es auch dort sicherlich Pflanzen und Tiere gibt, die es noch zu katalogisieren gilt. Auch ist es nah an den Säulen des Allvaters und damit ein idealer Ausgangspunkt für Expeditionen in den ewigen Ozean hinein. Ich weiß, dass dies nicht die Wünsche aller komplett erfüllt und ich weiß, dass mein Wort nicht mehr viel Gewicht besitzt. Aber ich bitte nicht darum, mir zu vertrauen, sondern meinem Bruder, der uns diese Möglichkeit mit diesem Tod gegeben hat. Mehr… mehr habe ich nicht zu sagen. Dies ist mein Vorschlag.«

Die Sprecherin der Priester nickte und drehte sich wieder zum General. »Hast du nun etwas dazu zu sagen?«

»Keinen weiteren Atemzug werde ich an ihn weiter verschwenden«, kam die barsche Antwort.

Alle Aufmerksamkeit wandte sich nun an den Kapitän. Alle hatten ihre Vorschläge und Standpunkte vorgetragen. Er konnte sehen, dass von den zentralen Sprechern niemand den anderen wirklich überzeugen konnte. Doch dies war auch nicht Sinn der Diskussion gewesen. Selten kam es dabei zu einer Einigung aller Beteiligten.

Er schaute in Menge, die im Schatten wartete. Auf die kam es nun an.

»Beginnen wir mit der Abstimmung«, sagte er, »und heute segeln wir noch los.«  

Auf dem Schiff

Hinterlasse einen Kommentar